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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Ein neues Bild von Adolf Menzel
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Zur Universitätsfeier der Stadt Leyden
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0193

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375

Zur Universitätsfeier der Stadt Leyden.

eigentlich bei dem ganzen Bilde handelt, unmöglich;
wie hätte man die Bewegung der Arbeiter, die Ber-
richtung der Arbeit darstellen sollen, ohne das Objekt
der Arbeit selbst zu zeigen? Jeder derartige Versuch
hätte geradezu in's Komische ausschlagen müssen. Es
blieb daher nur übrig zu schaffen, was die beschränkten
künstlerischen Mittel zugeben, und dem Verstande der
Beschauer ein wenig Nachdenken zuzumuthen."

Das im Auftrage des Herrn v. Liebermann ge-
malte Bild hat seinen Platz in der schönen Galerie
dieses feinsinnigen Kunstfreundes gefunden. Dort hängt
es unter Perlen der modernen Malerei, nebett Meistcr-
werken eines Knaus, Richter, Achenbach, Geertz, Vautier u. a.

Fast zu gleicher Zeit ist die photographische Re-
produktion einer Menzel'schen Zeichnung erschienen,
welche eine Sciräe bei dem Minister v. Schleinitz
im Juni vorigen Jahres darstellt. Jn der Mitte des
Bildes steht der Kronprinz, in lebhafter Unterhaltung
mit der Dame des Hauses, einer noch jugendlichen,
eigenthümlich reizvollen Schönheit, begriffen. Hinter
ihrem Stuhle steht Herr v. Angeli, der sich zu der
Dame herabbeugt. Man sollte kauni glauben, daß dem
scharfen Charakteristiker ein so feines, beinahe zartes
Profil gelingen konnte, wie es dem Wiener Maler eigen
ist. Neben Angeli, ganz im Vordergrund, steht die
imposante, charaktervolle Gestalt des bekannten Physikers
Helncholtz. Jm Hintergrund ist die markige Erscheinung
des Grafen Pourtalss sichtbar, in wenigen Zügen mit
so frappanter Aehnlichkeit wiedergegeben, daß die siüch-
tige Zeichnung den Vergleich mit dem Angeli'schen Por-
trät des Grafen nicht zu scheuen braucht. Von rechts
her naht Herr v. Werner, gleichfalls ein treues Abbild
der Persönlichkeit. Leider ist die Gestalt des Kronprinzen
zu kurz und zu gedrungen, so daß gerade der Mittel-
punkt des Bildes — aber auch nur diescr — der
Wahrheit nicht entspricht, L.. L..

Zur Universitiitsfeier der Ztadt Leyden.

Jn diesen Blättern ist noch nicht des großen Festes
gedacht worden, zu dessen Feier vor einigen Wochen
sich die vorzüglichsten Gelehrten von ganz Europa cin-
gefunden hatten, des dreihundertjährigen Jubiläums
der ehrwürdigen Universität zu Leyden. Manchem Theil-
nehmer an dieser schönen Festfeier mag der Gedanke
im Sinne gelegen haben, daß die denkwürdigen Tage
eigentlich nicht so vorüber rauschen sollten, ohne eine
bleibende Spur zu hinterlassen, und er wird freudig über-
rascht sein durch die Mittheilung, daß ähnliche Ge-
danken auch die leitenden Kreise der Universität gehegt
und daß sie beschlossen haben, durch den Neubau eines
Universitätsgebäudes da6 Andenken an dieses Jubeljahr
beim gauzen Volke der Niederlande wach zu halten.

376

Leyden besitzt noch eine beträchtliche Anzahl von
Baudenkmälern, auf welche die Stadt stolz sein darf,
darunter die S. Peterskirche und das herrliche Rath-
haus, eines der schönsten Bauwerke der Renaissance in
Holland; die alte Universität, ehemals, wenn wir nichi
irren, ein Franziskanerkloster, schließt stch in ihrer Ar-
chitektur harmonisch den übrigen Denkmälern aus LeY-
den's Vergangenheit an. Man theilte uns mit, das
neue Universitätsgebäude solle in dem reichen niedew
länvischen Baustil des 16. Jahrhunderts errichtet werden,
ein gewiß ebenso passender wie schöner Gedanke.

Jn einem der Säle der Universität fanden wir
nun Pläne ausgestellt, welche dem Vernehmen nach für
die Ausführung bestimmt sind. Wir waren beim An-
blicke derselben sehr überrascht; anstatt eines in dew
angedeuteten Sinne der Stifter der neuen Universität
entworfenen Gebäudes, das ja doch bestimmt ist, den
Kunstsinn der Einwohner der Stadt Leyden zu doku-
mentiren, fanden wir eine ganz formlose und systemlosc
Komposition ohne allen Charakter, und müssen aufrichtig
beklagen, daß so viel guter Wille der Stifter und der
Stadt voraussichtlich fruchtlos bleiben werden.

Der Grundriß des Gebäudes hatte die Gestalt
eines liegenden römischen die Hauptfacade, ent-
sprechend der langen Seite des L, bestand aus einew
dreifach gegliederten Mittelbau, zwei langen Seitenflügeln
und zwei Eckbauten, war demnach siebentheilig.

Das Gebäude war zweistöckig, die Ecken mit hohen
Pavillondächern bedeckt, der Mitteltheil des Mittelbaues
erhob sich noch um Stockwerkshöhe über den ganzen Bau
und über ihm erhob sich ein riesiges, quadratisches,
Kuppeldach, besser gesagt, Louvredach. Das übrige
Gebäude war mit gewöhnlichen Satteldächern abge-
schlossen. Der mittlere Theil mit dem Louvredach und
Ecktreppenthürmchen ist ausgezeichnet durch einen riesigen
Rundbogen, der an gewisse Ausstellungsgebäude in Paris
erinnert; dieser, die Ecktreppenthürmchen, das Dach mit
vier Gruppen von je drei kolossalen Dachluken an jeder
Seite, endlich auf der Spitze eine enorme Minerva mit
ausgestreckten Armen bilden ein ganz sonderbares En-
semble. Die zwei schmäleren, zurückstehenden Seiten-
theile des Mittelbaues, welcher im Ganzen vor den
langen Seitenflügeln ein mächtiges Risalit bildet, stehen
weder in Bezug auf ihre Bedachung (Walmdächer), noch
mit ihren romanisirenden, gekuppelten Rundbogenfenstern
in irgend welcher Harmonie mit dem übrigen Bau, an
welchem alle möglichen Arten von Fensterformen ver-
treten sind; die langen Seitenflügel sinv durch breite,
oben mit Rundbogen überspannte Lisenen gegliedert,
welche die Fenster beider Stockwerke umfassen, und zwar
oben vierfach gekuppelte Rundbogenfenster, wie sie an
romanischen Kreuzgängen vorkommen, unten Stichbogen-
fenster, mit drei Palnietten gezierl; daneben fehlt es
 
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