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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1904)
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Schultze-Naumburg, Paul: Heimatschutz, [1]: die Laufenburger Stromschnellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0037

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von perlendem Schanmwein. Es ist, als ob der Strom sich vergessen
und sein Zielbewußtsein verloren hätte. Unstät wandert sein Wasser
her und hin, bald rückwärts sich in Kreisen drehend, bald mit ein-
mal hastig wieder nach vorwürts eilend. Und mitten drin, plötzlich
hebt sichs aus der Wassertiese, als wenn ein Vorweltstier von unten
aufsteigen wolle und brausend nach allen Seiten die Fluten abstürzten,
wo sein ungeheurer Rücken herauskommen müßte. Aber dann tritt
wieder Ruhe ein, gurgelnd und murrend schiebt es wieder abwärts,
den breiten Ufern zu. Die beiden letzten Bilder lassen etwas davon
ahnen. Hier (Abb. 8), am Ausgange der Enge, weitet sich das Bett,
statt der Felsklippen treten wieder Hügel und Wälder an den Fluß
heran. Aber auch hier findet er noch nicht die Ruhe. Als ob eine
Erinnerung in ihm erwachte, so packt es ihn plötzlich hie und da,
und auf seiner stumm gewordenen Obersläche braust es noch ein-
mal von unten auf, zerfließt und verschwindet's. Und weiter fließt
der alte Rhein, der Ferne zu.

Das alles wird also bald nicht mehr sein. Statt der brausenden
Wasser wird sich ein ruhiger seeartiger Spiegel unter dem Städt-
chen bis zu der großen Betonmauer ausbreiten. Die Einwohner
träumen schon von dem Glück und dem Goldsegen, den ihnen die
fremde Gesellschast bringen will. Dann wollen sie die alten Baracken
abreißen und neue schöne Häuser bauen, die sich sehen lassen können.
Und die häßliche Holzbrücke soll dann bald verschwinden und eine
prächtige eiserne Brücke wie in Großstädten soll dann gebaut werden.
Und ein Weltrestaurant wird errichtet und Gondeln werden auf dem
neuen See fahren, und die Fremden werden kommen und werden
sagen: „Laufenburg, was hast du dich entwickelt" . . .

Jch verkenne nicht die Kühnheit des Jngenieurs, der sich dieser
Hölle naht und sie meistern will. Gewiß, auch die gesammelte Kraft
der tobenden Dynamos hat ihre Größe und der einstige Maschinen-
meister, der sie mit einem Hebelruck ins Joch spannt oder sie für
heute ungenutzt laufen läßt, ist die Gestalt aus einer Zeit, die ihre
neuen Werte geschaffen hat.

Aber es wird eine Zeit kommen, in der man erkennt: der
Mensch lebt nicht von Pferdekräften und Werkzeugen allein. Es gibt
auch Güter, die er daneben nicht entbehren will und kann. Und er
wird haushalten lernen und er wird das eine nicht zu gewinnen
suchen, um mit ihm alles andere zu verlieren.

Denn wenn der Mensch alles gewonnen hätte, was sich mit
seiner Technik gewinnen lüßt, dann würde er zu der Erkenntnis
kommen, daß das so maßlos erleichterte und einsach gemachte Leben
auf der entstellten Erde eigentlich nicht mehr lebenswert ist, daß
wir zwar alles an uns gerissen, was unser Planet herzugeben hatte,
daß wir aber bei dieser Wühlarbeit ihn und damit uns selbst zer-
stört haben.

Sorge ein jeder an seinem Teile, daß die Umkehr kommt, ehe
es überall und für immer zu spät ist! paul Sckultze-Nanmburg

22 Uunstwart l8. Zahrg. l^eft f
 
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