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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1904)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0102

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Klätter

brn8l I)aräl8 „klarnpf urn8 kio8enro1e"

Vorbemerkung. Das Schauspiel, aus dem wir im folgenden
einen Akt abdrucken, wird im kommenden Winter voraussichtlich über viele
Bühnen gehen. Es wird von manchen bejubelt, von manchen schroff abge-
lehnt werden, und die Lober und die Tadler werden vollwichtige Gründe
für ihr Urteil finden. Die Tadler schon nach der technischen Seite hin.
Jm allgemeinen bühnenwirksam im guten Sinne, ist Hardts Stück an
einigen wenigen Stellen auch theatralisch im übeln, anderseits begeht es
leider ohne Glück die Kühnheit, eine Hauptperson nicht mitspielen zu lassen:
Frieda, die Geliebte des Helden, unter deren Einfluß er das ganze Werk
über steht, wird uns nach einer leichten Eingangsszene nicht mehr gezeigt.
Sie ruft dem Sohne bei seinem Brnch mit dem Vater ein Bravo zu, das
ist alles, während es anschaulich werden müßte, daß sie bei der weiteren
Entwicklung mitlebt und mitwirkt. Denn wie sollen wir den Ausblick aus
Frieda als eine Erhöhung des Verhältnisses zwischen Mann und Weib
empfinden, wenn ihre Teilnahme an den tiefsten Kämpfen des Mannes
mit diesem Bravo schon erledigt ist? Wir kommen schon aus die Hand-
lung des Stückes. Sie wird viele verletzen. Der Held nnd sein Freund,
die uns beide als edle Menschen geschildert werden, haben beide eine edle
nnd tiefe Liebe im Herzen. Keinen von beiden hindert das aber, mit einem
andern braven Mädchen als Mann und Weib zusammenzuleben. Ja, sie
fühlen, soviel uns gezeigt wird, beim Eingehen ihrer neuen Verhält-
nisse kaum einen Konslikt mit ihren alten Gefühlen, sie empfinden dem
Stücke nach erst die Lösung des Jnterims-Verhältnisses als schwer. Das
Geschwisterliche ist für die Ehe wichtiger als das Bräutliche — mit diesem
an sich sehr richtigen Gedanken kommen wir aber auch bei dem höchsten
Sprnnge doch kaum darüber hinweg, daß die Ehe beides fordert. Kann
und darf herzliche Znneigung nnd Dankbarkeit zu einem Mädchen ein der-
artiges Verhältnis heraufführen, wenn der Mann eins andre heiraten will —
Herr Hardt verzeihe unsre Philistrosität, aber wir sehen hier mindestens
ein Problem, nnd zwar eines, das als Stofs eines besondern Schau- oder
Trauerspiels vollkommen znreichen würde. Beim „Kampf nms Rosenrote"
spielt es kaum mit, tauchen diese Verhältnisse überhaupt nur als Neben-
sachen auf, stark genug immerhin, um die Einheit des Jnteresses zu schwächen.
Die Axe des Stücks dreht sich um den Zwiespalt zwischen Vater und Sohn:
darf der Vater beherrschend ins Leben seiner Kinder greifen, auch wo
ihr tiefstes Fühlen anders ist, als das seine, darf er mit ihrer Persönlich--
keit in einen Kampf auf Leben und Tod treten? Wir drucken den ersten
Akt ab, und also die ganze Exposition, wir brauchen deshalb hier in der
Vorbemerkung nur zu sagen: Vult, der Sohn, setzt sich durch, indem er
ein bedeutender Schauspieler wird, seine Schwester aber unterliegt, indem
sie den Mann nicht ihrer, sondern der väterlichen Wahl heiratet. Das Stück
klingt trübe aus. Der Vater „verzeiht" schließlich, „aus vollem Herzen",
aber der Sohn fühlt's anders — Vult (mächtig): „Vater! Du! — Mir?!"
und der Alte sagt leise: „Du hast recht!" Wunderlich, daß der Verfasser
das Widerstreben des Vaters, den er doch auch nicht nur als klug, sondern
in seiner Art bedeutend schildert, immer nur mit den alten gesellschaftlichen
Vorurteilen aber gar nicht mit dem motiviert, was den feineren Menschen

^80 Runstwart XVIII, Lseft 2
 
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