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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1904)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwart für 1905, [10]: Naturwissenschaften
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0325

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Die Erkenntnis der Natur kann nicht aus Büchern allein geschöpft
werden. Wenn man wirklich gefördert werden will, muß man selber sehen,
mitarbeiten, selber finden. Und dazu allerdings können gute Bücher uns die
Wege weisen. Aber das Gebiet der Naturwissenschaften ist so umfangreich,
daß man es künsttich bcgrenzen muß, sodaß wir uns emerseits sehr beschränken
müssen, anderseits wieoer gezwungen sind, einige Werke zu nennen, die auch
andere Wissenschaften für sich in Anspruch nehmen.

Anders als Dante wollen wir unsern Weg mit dem Himmel anfangen
und, wie billig, zunächst von seinen Bewohnern reden. Wir wissen, daß G.
Th. Fechner die Himmelskörper und auch unsere liebe Erde als Organismen
höherer Ordnung, als Engel auffaßt. Wer sich darüber unterrichten und einen
unierer tiessten Philosophen kennen lernen will, nehme sein Buch ^Zendavesta
oder über dre Dinge des Himmets und des Jenserts" zur tzand. Fünfzig Jahre
mutzien vergehen, bevor dieses Werk eine zweite Auflage erlebte, wofür ihm
eine um so längere Wirksamkeit beschieden sein wird. Leichter und sicherer
führt aber in die Gedankenwelt dieses echt naturwissenschaftlichen Denkers sein
Buch ein: ,Die Lagesansicht gegenüber der Nachtansicht"'. Von den anderen
Schriften FechnerS müssen wir wenigstens noch ^Nanna ober das Seelen-
leben der Pflanzen" nennen. Um einen Überblick über Fechners Leiitungen
zu gewinnen, tese man das von Ku rd Laßwitz geschriebene Fechnerbändchen
aus Frommanns Klassikern der Philosophie, ein ausgezeichnetes Büchlein. Bei
dieser Gelegenheit wollen wir den Leser gleich auf Laßwitzens andere
Schristen aufmerksam machen, und erwähnen besonders ^Wirklichkeiten" und
die köstlichen „Seifenblasen". Hier ist auch der Ort, auf die gewichtigen Werke
Wundts hinzuweisen, zunächst auf seine „Essays" und seine „Vorlesungen
über Menschen- und Tierseele," und dann etwas weiter abliegend, auf seine jetzt
in 3. Auflage erschienene „Emleitung in die Philosophie" und auf die „Völker-
psychologie^, die ebenfalls in zweiter umgearbeiteter Auflage herausgegeben
wird. Doch schon sind wir zu weit in die Philosophie hineingeraten, wollen
aber doch noch denjenigen, die die beste Geschichte und Kritik aller natmphilo-
sophischen Systeme kennen lernen möchten, Langes „Geschichte des Materialis-
mus^ empfeylen.

Von Werken, die uns ein Bild des ganzen Universums geben wollen,
ist Humboldts „Kosmos^ noch durch kein gleichwertiges ersetzt. Wenn auch
im einzelnen von der Forschung überholt, sind die beiden ersten Bände immer
noch durch die Kunst der Darstellung, die ruhige Klarheit der Sprache zu den
klassischen Büchern zu zählen, die man eben kennen muß. Für den Anfänger
ist der Kosmos allerdings nichts, da man schon kritisch gerüstet sein muß, um
ihn mit wirklichem Nutzen zu lesen. Besser daran ist man mit den „Ansichten
der Natur", einer Reihe auf das kunstvollste ausgeführter Naturgemälde, und mit
der „Reise in die Aequinoktialgegenden", die, ursprünglich französisch geschrieben,
die beste deutsche naturwissenschaftliche Reisebeschreibung ist, der von Werken
des Auslandes vielleicht nur Darwms „Reise* zu vergleichen ist. Von den
naiurwissenichaftlichen Reisewerken der letzten Zeit ist Karl Chuns „Aus
den Tiefen des Weltmeeres" das schönste und bedeutendste; denn Sven Hedins
^Durch Asiens Wüsten* und „Jm Herzen von Asien/ ebenso wie Sverdrups
^Neues Land" sind doch wesentlich der Lösung geographischer Probleme ge-
widmet. Sonst sind gerade von Naturforschern eine Unzahl von Reisebeschrei-
bungen erschienen, die zum Teil recht lesbar sind. Wir erwähnen Bürgers
„Reisen eines Naturforschers im tropischen Südamerika" und Dofleins „Von
den Antillen zum fernen Osten, Reiseskizzen eines Naturforschers".

Wir haben oben Darwin genannt, darum sei auch gleich hier auf seine
unten angeführten wichtigsten Werke hingewiesen, die nun schon zum Gemein-
gut eines nalurwissenschaftlich Gebildeten gehören, auch wenn man nicht „Dar-
winianer" ist. Notwendig ist für diejenigen, die den Debatien des Tages nicht
aus dem Woge gehen wollen, das Studium der »Natürlichen Schöpfungs-
geschichte" tzäckels, seines reifsten, einflußreichsten und mit Recht bekanntesten
Werkes. Sehr viel Staub aufgewirbelt hat sein Buch „Die Welträtsel", zu
dem er jetzt eine Art Fortsetzung unter dem Titel ^Die LebenSwunder" her-
ausgegeben hat — wir können der Arbeitskraft und dem Temperament des

288 Runstwart XVIII, Heft ^
 
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