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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1905)
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Enking, Ottomar: Weihnachtsaufführungen: ein Rück- und ein Ausblick
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Wolzogen, Hans von: Ein Nationaldank für Richard Wagner: auch ein Neujahrswunsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0518

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Bronnen müssen wir schöpfen, um auch in Beziehung auf die Weih-
nachtsaufführungen gefund zu werden. Er versagt niemals, im Gegen-
teil, er fließt immer lebendiger und reicher, je mehr wir von seinem
Wasser nehmen. Aus dem noch heute im Volke vorhandenen Drange
heraus, die Menschen des Weihnachtsevangeliums leibhaftig zu schauen
nnd selbst darzustellen, sind jene Weihnachtsspiele entstanden, und wir
besitzen schon verständnisvolle Bearbeitnngen von ihnen, wie zum Bei-
spiel das vom Verein für sächsische Volkskunde in Dresden aufgesührte
Hirten- nnd Königsspiel von Ludwig Seidel, worin die Sprache ge-
läuteri und die Darstellung dem hentigen Geschmacke angepaßt ist.
Warum also, fragen wir, sollen wir unseren Kindern erkünstelte und
minderwertige Dinge vorführen, während wir im Besitze eines großen,
natürlichen Schatzes find, aus dem die reine Weihnachtsstimmung
leuchtet? Schon manche in diesen Blättern ausgesprochene Mahnung
hat mit zur allmählichen Besserung auf künstlerischen und kulturellen
Gebieten beigetragen. So hoffen wir, daß hier auch die rechte Stelle
sei für den Ruf: weg mit der salschen Vermengung von Ausstattungs-
komödie und Weihnachtsmärchen und wieder hin zum echten, dem
Kinderherzen den Christhimmel öffnenden Weihnachtsfpiele! Es ist
jetzt nicht zu spät für diesen Ruf, es ift die rechte Zeit dazu gerade
jetzt, wo die Weihnachtsstimmung, aber auch die verschiedenen Weih-
nachtserfahrungen noch in uns nachwirken, und wo es gilt, die Ent-
fchlüfse zum Wandel zu fassen, damit man ihn bei guter Zeit von
langem her vorbereiten könne. Gttomar Lnking

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Auch ein Neujahrswunsch

Wagners Lebenswerk Bayreuth hat allen Anfeindungen stand-
gehalten und jeden Vorwurf durch die Tat widerlegt, nur ein Wort
konnte immer wieder, wenn auch nur mit bedingter Berechtigung,
aber wirksam ihm entgegengerufen werden: daß es nur für Wohl-
habende erreichbar fei. Die Kunst aber solle doch für alle fein, fügt
man hinzu, und könne man auch die übrigen Werke allerorten sehen,
so werde doch der Parsifal durch Bayreuth zu Unrecht dem allgemeinen
Publikum vorenthalten. Dabei ging man allerdings von einer grund-
irrtümlichen Auffassung der Wagnerischen Jdee und Absicht aus. Es
handelte fich für ihn gar nicht um einzelne Werke, sondern um das
einzige große Beispiel eines Theaters, das, lediglich dem idealen
Zwecke der dramatisch-musikalifchen Kunst dienend, diese felbst zum
feltenen Feste an feierlich abgelegener Stätte für eine eben danach
allein verlangende Gemeinde erheben sollte. Von allem dort künst-
lerisch Dargebotenen war das Theater selbst nicht zu trennen; es
gehört zum Kunstwerk Wagners, wie die Musik zum Drama. Somit
entfpricht es der Eigenart diefes „Gesamtkunstwerkes" mit Namen
„Bayreuth", daß es nicht allenthalten „sich in die Welt zerstreut",
fondern die „Welt", d. h. das Publikum, aus der Zerstreuung zu sich
als ruhendem Punkt heranzieht. Natürlich gehört niemals „alle Welt"
zur höchsten Kunst, noch diese aller Welt; aber daß ein „ideales Publi-
kum" zur idealen Kunst und zum Jdealtheater gehöre, das hat Wagner


l. Ianuarheft l905

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