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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 11 (1. Märzheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0819

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Oeulscker 6r2äkler-I)unior

Vorbemerkung. Was wir im folgenden abdrncken, bietet den
Lesern Krünter aus einem ganz besonderen Garten. Nur in England haben
sie einen, der ahnlich duftet, auch von ihm aber unterscheidet sich der
Garten deutschen Humors durch einen eigenen „Schmack". Er ist gar nicht
zu verwechseln mit dem unserer Witzblätter, in denen die Satire umgeht
und suchet, wen sie verschlinge, er hat aber auch nichts als das Aeußer-
lichste gemein mit dem sogenannten „Humor" jener sogenannten Lustspiele
sowohl wie wirklichen Feuilletons, mit denen der Geist Blumenthals, Kadel-
burgs L Co. seine Geschäfte macht. „Humor" — man hat den Begrisf
hundertmal zu bestimmen versucht, aber all die Begrisfskreise decken sich
nicht genau. Vielleicht könnte man einsach sagen: Humor ist erfühlte
Komik, wobei dann von den kleinen und feinen Humoren bis zum großen,
der über die Tragik siegt, keine Definitions-Barre den Weg versperrte. Viel-
leicht aber wäre solche Bestimmung zu simpel, als daß sie alle Nägel träfe.
Und das ist gewiß: gerade, wenn sie's tut, braucht es wiederum des
Gesühls, um aus all den ähnlich angezogenen Leuten die rechten heraus-
zukennen.

Dieses Gefühl ist in deutschen Landen nicht sehr geübt — es sind
durchaus nicht die größten unserer Humoristen, die es zu den größten
Auslagen gebracht haben. So ladet denn unsre Zusammenstellung zu einer
kleinen gemeinsamen „Uebung im Humorlesen" ein. Zugleich aber will sie
an ein paar Beispielen zeigen, wie der deutsche Humor von herrte sich
aus dem älteren entwickelt hat.

Welch ein künstlerischer Abstand schon zwischen den Humoristen uno
Satirikern des sechzehnten Jahrhunderts und G r i m m e l s h a u s e n! Wie
weiß er die drastische Situationskomik im närrischeu Kälberdasein seines
Simplizius aus dessen Charakter zu entwickeln und beleben. Und doch —
das „überzwerche Lob einer schönen Damen" erheitert uns trotz all seiner
Schlagfertigkeit kaum sehr, während Grimmelshausen solche und ähnliche
Scherze bei seinem Publikum immer die unbändigste Wirkung tun läßt.

Da ist die Erpressung zur Rührung um den Preis eines wohlbestallten
Hauses, wie. sie Jean Paul in den „Flegeljahren" erzählt, denn doch
um vieles ergötzlicher und seelenkundiger beobachtet und beschrieben. Wir
kommen fast so weit, über die schnurrige Bedingung hinwegzulesen, und die
wunderlichen Käuze der deutschen Kleinstadt wie leibhaftig vor uns zu sehen.

Diese Gegenständlichkeit erscheint daun wieder romantisch verschleiert
und heiter phantastisch übertrieben in E. T. A. Hosfmanns Kapitel
aus der „Königsbraut". Der Poet belustigt sich selbst an seinem heiteren
Schwunge: anstatt hinter seine Welt zurückzutreten, tritt er gleichsam auf
die Seite des Lesers hinüber, stößt ihn vou Zeit zu Zeit mit dem Ellen-
bogen an und zwinkert: na, wie ist dir denn? Wobei ihm die Freude
an der drolligen Erfindung aus dcn Augen lacht.

Mörike dagegen ist anch als phantastischer Prosadichter ganz nnd
gar weltvergessener Künstler. „Das Märchen vom Stuttgarter Hutzelmänn-
lein", dem die heitere Episods von „Zanges Banges", dem gewissenhaften
Stieselknschte entnommen ist, wirkt gar nicht mehr wie ein fabelhaftes

s. Märzhest lZOö ^ 759
 
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