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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 11 (1. Märzheft 1905)
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0857

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Wenn Du, verehrter Leser, über die Bilder zwischen dem Texte dieses
Heftes mit den Augen gewandert bist, so hast Du einen Spaziergang in
sehr scharfer Luft gemacht — so etwas ist erfrischend und gesund, greift
aber auch an. Nicht wahr — man verlangt schließlich nach der warmen
Stnbe? Deshalb sind die eigentlichen Beilagen dieses Fastnachtsheftes
verwandter Form, aber wesentlich behaglicheren Gehaltes. Sie sind nicht
der Satire, sie sind gleich den Losen Blättern dem deutschen Humore
gewidmet, der lüchelnd der sonderbaren Welt da draußen am knisternden
Ofen gedenkt. Er braucht deshalb noch lange nicht philiströs zu sein —
ich möchte den Uebermenschen sehn, den's nicht zuzeiten dahin verlangte!

Ernst Kreidolfs „Kampf mit dem Drachen" ist ein köstliches
Beispiel des rein in Anschauung aufgelösten, ganz sich selber genngenden
Humors. Geht der brave Schrat still für sich über die Waldwiese, ganz
in ernste Gedanken versunken, plötzlich erhebt sich znr Rechten im Gebüsch
höchst störend ein törichtes Geschrei. Richtig, es ist der alberne Drache,
der schon so lücherlich angezogen geht! Da verweist ihm der Versonnene
gemessenen Wortes sein Gelärm, aber nun hnpft jener Kindskops auf und
macht die unziemlichsten Kapriolen in der Lnft. Jetzt erfaßt den andern
denn doch gerechter Zorn, und init entrüsteter Rede greist er zum scheuchen-
den Stein.

Zu solchem Humore geht der Weg nur durch Phantasie. Albert
Welti gibt als Handhabe zum Ausstieg wenigstens einen Vergleich, wenn
er nns auf der Festkarte eines Künstlerbnndes „die Walze der Kunst" mitten
in ihren Attentaten zeigt. Von böchst Begeisterten gerollt, rast sie un-
widerstehlich dahin und nudelt die Welt zu Kunst, über we'lche die Nach-
folgerschar der Künstler erfreut dahintanzt. Wie lange plagten wir nns über
das Wesen der Kunst mit Theorie, wie einfach ist nach dieser authentischen
Offenbarung der Sachverhalt!

Nun aber, o Leser, wolle jeden Rest von Logik oder Skepsis oder
Ernsthaftigkeit oder, wie Du es sonst nennen magst, was Tich zn einem
verständigen Staatsbürger macht, aus Deinem Hanpte entfernen, so er Tir
etwa bis hierher geblieben sein sollte. Denn es gilt, Eugen Kirchners
„Lustige Leute" zu beschauen. Hier herrscht die reine Narretei, — aber
zugleich die fröhlichste Laune, die ein Künstler nur haben kann. Es ist
wirklich ein bodenloser Unsinn, das alles zusammenzubringen, was auf
diesem Hange da liegt, sitzt, steht, geht und tanzt, aber nur ein Griesgram
wird sich vor diesem Bilde der sröhlichsten Ansteckung entziehn. Wir be-
glückwünschen Kirchner zu dem Mut, mit so viel Liebe ein Bildchen zu
schaffen, das die Welt „von jedem Zweck genesen" einmal ganz und gar
nur als Spiegel der eignen Herzensheiterkeit gibt. „So ihr nicht werdet
wie die Kindlein", kommt ihr ja auch nicht ins Himmelreich des Humors.

Als Notenbeilagen bringen wir zu diesem „vergnügten" Hefte
drei Stücke: s. Lied des Mephistopheles aus Fansts Berdammung von
Berlioz: „Es war einmal ein König". 2. Die Beckmesser-Episode aus
dem Meistersingervorspiel von W a g n e r. 3. Die Tanzmnsik aus dem ersten
Akte des Rigoletto von V e r d i.

s. Uiärzheft l.905 7V7
 
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