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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1904)
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Wolfsberg, V.: Sprechsaal: noch einmal: Litzmann über Goethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0407

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Hprecbsaal

(Unter sachlicher Verantwortung der Einsender)

stlock einrnal: ^ilrrnsnn Lber Goelke*

Jch mache von der Einrichtung des Sprechsaales im Kunstwart Gebrauch
zur Verteidigung Litzmanns gegen die Kritik V. von Wolfsbergs im ersten
Oktoberheft, einmal, weil ich mich als Schüler Litzmanns mit diesem in
der Sache und durch die Form angegriffen fühle (S. 9 Zeile von unten),
hauptsächlich aber, weil ich Unrichtigkeiten als Freund des Kunstwarts
und seiner Sache richtigzustellen habe.

Bon Wolfsberg informiert den Leser, Litzmann habe eine Nnleitung
zum Kunstgenuß geben wollen, und zwar, wie der in der ganzen Kritik
festgehaltene Gefichtspunkt für die Beurteilung des Buches zeigt, lediglich
das. Das ift unrichtig, und von einer persönlichen Auffassung kann
bei dem Bericht über eine Abhandlung nicht wohl die Rede sein. Schon
der Titel von Litzmanns Buch lautet: „Goethes Lyrik", besagt akso, daß
hier über die lyrischen Gedichte (lyrifch im ?rweiterten Sprachgebrauch)
eines einzelnen, durch taufend Beziehungen bestimmten Dichters ge-
sprochen werden soll, und der Untertitel erklärt weiter, daß Erläute-
rungen gegeben werden nach künstlerischen G e s i ch t s p u n k t e n, unter
denen, wie die weiteren Ausführungen zeigen, auch einer ist, zum Kunst-
genuß anzuleiten, während ein anderer auf den „wissenschaftlichen Genuß"
hinzielt, um V. von Wolfsbergs Terminologie beizubehalten. Litzmann will
eben, wie sein Buch vielfach betont, auch zur „Erkenntnis vom Denken
und Fühlen des Dichters" und zur „Erkenntnis vom Entstehen, überhaupt
vom Wesen der Dichtungen" beitragen. Und nun wird man nichts darin
finden, wenn er hofft, daß seine „Erläuterungsversuche" mit diesem mehr-
fachen Zweck zu einer Verfeinerung und Vertiefung unseres Kunstsinnes
(ein viel umfassenderer Begrifs als Kunstgenuß) dienen möchten, und man
wird verstehen, daß Wolfsberg Litzmann Gedanken unterschiebt, die er nie
gedacht hat, wenn er schreibt: „Wer ist die Erscheinung (in Goethes »Zu-
eignung«)? wird gefragt. »Dich mein' ich nicht!« sagt Goethe im Anfang.
Das war wohl nicht recht von ihm, nach Litzmann müssen wir ja zum
Kunstgenuß wissen, wer die Erscheinung ist."

Bleiben wir einmal Lei der „Zueignung", um gleich einen Wolfsbergs
Sache angehenden Einwand zu machen und zu zeigen, daß er schematisiert,
wenn er für den Genuß jedes beliebigen lyrischen Gedichts lediglich eine
Wirkung auf Gesühl und Phantasie verlangt. Jch meine, daß sich der
lebendigs Mensch überhaupt nicht so schematisieren läßt, wie es die Theorie
Wolfsbergs verlangt: Jetzt hast du gefühlsmäßig-künstlerisch zu genießen
und jetzt verstandesgemäß-wissenschaftlich. Nein, diese verschiedenen Arten
des Genusses gehen beständig ineinander über, hindern sich gewiß oft, und
da liegt, wie mit Recht von Avenarius betont wird, die größte Gefahr
für den reinen Kunstgenuß, unterstützen sich aber auch sehr oft, was nun

* Wir glauben, der folgenden Polemik die Aufnahme nicht verweigern
zu dürfen, weil sie in einer wichtigen Streitfrage lehrreiche Einblicke in
die Stellung der Parteien gewährt, aber wir verwahren uns ausdrücklich
dagegen, mit ihr einen „Präzedenzsall" zu schaffen. Jm allgemeinen müssen
wir's schon aus Raumgründen ablehnen, auf Bücherbesprechungen Entgeg-
nungen abzudrucken.

h Dezemberheft lZOH 367
 
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