Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1905)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Aus der Geschichte des Zerrbilds
DOI Artikel:
Gulbransson, Olaf: Zerrbildnisse
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0807

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
stehen kann. Denn das ist das Merkwürdige: mit faustdicken Lügen
dient die Karikatur der Wahrheit, und zwar um so viel besser, je
handgreiflicher die Lügen sind. So ist es auch hier die Phantasie,
die das Unwahrscheinliche wahrscheinlich macht und den Sinn be-
flügelt, daß er sich über die Enge und den Druck des realen Lebens
emporzuschwingen vermag aus die Höhe eines besreienden und klären-
den Lachens über die tausend Widersinnigkeiten dieser Welt.

<L llalkschmidt

2errbiicini88e

von Glaf Gulbransson*

V o r b e m e r k u n g. Es ist noch nicht lange her, da tauchte im
„Simplizissimus" ein neuer Zeichner aus, dessen allererste Bilder schou an
künstlerischem Ausdrucksvermögen wie an Ausprägung der stilistischen Eigen-
art ihresgleichen suchten — man wußte sofort: hier tritt ein Karikatur-
Talent allerersten Ranges auf, und zwar eiu fix und sertig ausgebildetes.
Seitdem hat sich Gulbransson insbesondere als eiu B i l d n i s - Satiriker
gezeigt, wie er vielleicht überhaupt noch nicht dagewesen ist. Eine Serie
„berühmter Zeitgenossen" im „Simplizissimus" selber, eiue andere „Euro-
päische Monarchen" in seinem Kalender folgten, den freiesten Spaß aber
bedeutete wohl der Langensche Verlagskatalog. Das eine hatte auch sür
die Gegner des „Simplizissimus" etwas Versöhnendes, er bewies, daß die
Autoren Laugens auch über sich' selber lachen konnten: sie ließen sich
mit Faksimile und Autobiographie in Gulbranssonschen uud Heineschen Kari-
katuren dem Publikum empfehlen, und es waren doch so ernste Leute
wie Björnsou und Maeterlinck und Selma Lagerlöf dabei. Alle Zerrbilder
Gulbranssons zeigen als gemeinsame Eigenschaft eine Beschränkung auf die
einfachsten, buchtechnisch bis zum letzten Rest reproduzierbaren Ausdrucks-
mittel in Schwarz und Weiß ohne Zwischentöne und eine gespaunte Eut-
schlossenheit der Linie. Btzi der Charakteristik der Einzelnen glaubt man
natürlich zu merken, ob der Zeichner die llrbilder persönlich gekannt hat
oder nicht. Manche, zumal der Monarcheubilder, karikieren mehr Aeußer-
liches als Jnnerliches und zeigen auch eiue gewisse Manier — Mängel,
die den ältereu Porträt-Karikaturisten fast insgesamt und den ueueren bei
der überwiegenden Mehrzahl ihrer Leistungen gemein wareu. Bei den
besten aber seiner Zerrbildnisse besouders nach Schriftstellern und anderu
Künstlern dreht Gulbransson wirklich das Jnnerste nach außen, uud jedes
Mittel ist ihm recht, daß dieses „Wenden" so wirksam wie nur möglich
wird. Man vergleiche an unsern Beispielen, wie viel er vom Meuschen
heranzieht, ob er nur Kopf- oder Brustbild oder den ganzen Mann gibt,
ob ohne Hintergrund oder mit bezeichnendem Raum, ob mit llmfassung
oder nicht, in welcher Größe an sich und in welchem Verhältnisse zur Um-
grenzung. Es muß alles bei Gulbransson dem Zwecke dienen, auch die
Art der Linienführung, wie gleich Björnson schlagend beweist. Schade, daß
wir der satirischen Beleuchtung nicht mehr ins Einzelne folgen können —
was dem Karikaturenzeichner erlaubt ist, ist ja leider unsereinem verboten.

* Teils aus dem „Simplizisstmus", teils aus dem Verlagskataloge von
Albert Langen in München. Vgl. auch die Begleitworte zu unsern Bildern
am Schlusse des Heftes.

! s. rNärzheft lstOö 7-z?
 
Annotationen