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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 3 (1. Novemberheft 1904)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0183

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Nttg«

rneineres

Besorgt eilte Hoppe auf die Straße hinaus: die Trunkenen würden
doch der Heimkehrenden keinen Krawall machen?!

Dreist genug hatten die Männer in den Wagen gestiert, aber als sie
die Darinsitzende erkannt hatten, waren sie zur Seite getreten und hatten
die Hüte gezogen: „?uäum äo no§!"

Es war die Mutter des gnädigen jungen Herrn, die grüßten sie
ehrerbietig.

G Wieder einmal: Ober-
flächenkultur

Fritz Lienhard kommt im ersten
Oktoberhefte des „Türmers" endlich
auf die zwei Fragen zu sprechen,
die ich nun bald vor einem Jahre
au ihn gerichtet und vor einem
halben Jahre (Kw. XVII, s6, S. M)
wiederholt habe. Auf die erste druckt
er aus Ruskin und Goethe einige
Stellen ab, die man immer wieder
gerne liest, die aber mit dieser Frage
nichts zu tun haben. Denn auf den
Vorwurf hin, ich vernachlüssige die
Persönlichkeitskultur, hatte ich mich
danach erkundigt, wie anders denn
Lienhard sich das Eindringen auch
in die höchsten Persönlichkeitswerte
von Kunstwerken denke, als durch
das Nachgestalten dessen, was sie
vorgestaltet haben und was nun diese
Persönlichkeitswerte trägt. Ein Bei-
spiel: wer die Anschauungen von
Mörikes „Um Mitternacht" so wenig
nachbilden kann, daß er's wie Lien-
hard bei seiner von uns im Mörike-
heft (Kw. XVII, 2H, S. 505) wieder-
gegebenen Besprechung „voll grober
Anschauungsfehler" findet, wie soll
in dem all das Unsägliche, das hier
auftönt, mitschwingen, wie soll er
die Persönlichkeit, die hier spricht,
erfassen können? Fühlt er sich trotz-
dem berechtigt, darüber und über
den Persönlichkeitswert des Dichters
zu urteilen, so liegt vor, was mir
als Oberslächenkultur erscheint. Viel-
leicht belehrt mich mein Herr Gegner
doch noch einmal, wie er sich die

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geheimnisvolle Uebertragung sozu-
sagen: durch Kunst, aber nicht durch
Kunst nun eigentlich denkt. Auch
dieses Mal sagt er's nämlich noch
nicht. Oder glaubt er mit dcm
„Motto" „Jnnere Wärme! Seelen-
wärme! Mittelpunkt!", das er mir
jetzt „anrät", wirklich mehr kund
zu tun, als srüher mit „Durch-
sonnungskraft", „zentraler Aesthetik"
und ähnlichen wohlklingenden Aus-
rufen? „Durchsonnungskraft", gewiß,
die hat jeder Große, aber wir redeten
davon, wie sie wirkt, wie sie er-
saßt werden und wie nran bei
diesem Ersassen helsen, wie man
es fördern kann. D a liegen die
Aufgaben des Kunstwarts. Es stamrnt
aus einem Mangel an ästhetischem
Verständnis, wenn Lienhard das
„Schauen" „einen Teil des Ganzen"
nennt. Es ist weder das Ganze noch
ein Teil davon, es ist die Form,
in der ein Stück Welt dem Künstler
erscheint, wenn er's mit seiner Seele
aufnimmt und wiedergibt. Und so ge-
wiß man in das „Zentrum", in das
„Ganze" einer andern Menschenseele,
die in einem noch fremden Kunstwerke
lebt, erst von außen hineinkommen
muß, so gew'iß wird wohl auch „zen-
trale Aesthetik" die sein, die nach
dem Zentrum strebt.

Lienhards Antwort auf meine
zweite Frage ist allerhand neues
Schelten auf den Kunstwart, das
für die geringe Meinung, die ich
von meines Herrn Gegners Bedürf-
nis nach strenger Wahrhaftigkeit

Runstwart XVIII, Lseft 3
 
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