Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1904)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Vom Schenken: ein Strauß Binsenweisheiten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0452

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vom 8ckenken-

LinStraußBinsenweisheitenI

Ueber Weihnachtsgeschenke im Weihnachtsheft? Das ist doch
viel zu spät! Jn früheren Monaten aber hätte das große Anschau-
ungsmaterial gefehlt, das jetzt aus Schaufenstern und Budenauslagen,
aus Gefchäftsprospekten und Zeitungsinseraten, ja, aus der ganzen
Stimmung des weihnachtlichen Lebens zu jeder Bemerkung nicht nur
die Beispielsammlung verschafft, sondern auch die Resonanz. Zudem:
wie wir den Weihnachtsmarkt selber unmittelbar beeinflussen können,
das brauchen wir vom Kunstwart uns untereinander nicht erst zu
sagen. Für uns alle handelt sich's höchstens darum, bewußt zu
werden unserer Macht und diese Macht zu betätigen. Wenn
wir alle nur gute Bücher zum Feste wünschen und verschenken, nur
gute Musikalien, nur gute Kunstblätter, so haben wir Kunstwartleser
schon durch nnsre Zahl jetzt einen Einfluß auf den Markt, dessen
Größe willig oder widerwillig auch bereits allgemein anerkannt wird.
Was diese „literarischen" Gebiete anbetrifft, so sagt unser Ratgeber
ja, was wir Schreiber vom Kunstwart meinen. Ebenso groß kann unser
Einsluß aus allen Gebieten des Kunsthandwerks und des Kunstge-
werbes sein. Ueberall Gediegenheit und Sachlichkeit, keine Jmitation,
keine Attrappen, es sei denn ganz ausnahmsweise einmal als flüch-
tiger Scherz, kein schlechtes Material, kein entbehrlicher Aufputz, über-
haupt kein Schmuck, wo Stoff, Gestalt und Farbe genügen, kein Nou-
Veauts-Kram, nie etwas, bloß weil's die Mode bringt — halten wir
diese paar Forderungen bei unseren Geschenken und unseren Wünschen
unerbittlich und unüberredbar im Auge, wie viel können wir damit
allein schon tun, damit auch der Markt die Vornehmheit wieder in
Schlichtheit und Ehrlichkeit suche, statt in Augenblenderei.

Aber von all dem haben wir ja schon bis zur Uebermüdung
gesprochen. Nein, wofür wir heute zum Feste selber das Ohr unserer
Freunde erbitten, das soll einmal nicht die wirtschaftliche Seite des
Schenkens sein, sondern die persönliche. Ein paar Binsenweisheiten
wollen wir da zusammenbinden, weiter nichts. Binsenweisheiten, wie
sie an tausend Teichen wachsen. Natürlich nur, wenn diese Teiche
nicht durch Dämme und Schotter korrigiert und zivilisiert sind. Also
immerhin an vielen auch nicht. Und wo sie wachsen, läßt man sie
meist auch verwelken. Denn Reth draus zu machen, mit dem man
Hütten und Häuser decken kann, das verbietet heute zumeist die Obrig-
- keit. Beim Schenken heißt sie: Die Konvention.



2. Dezemberheft tAOH

-^09
 
Annotationen