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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 12 (2. Märzheft 1905)
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Grunsky, Karl: Wie man Zauberflöte spielt
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0875

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wieder hervor. Kein Mensch kann auch nur auf den Gedanken kommen,
sie hätten etwas Gesahrliches bestanden. Die Musik deutet allerdings
die Gefahr durch die Verbindung der Hörner, Trompeten, Posaunen,
Pauken mit der Soloflöte nur an und verzichtet auf die Darstellung
des Kampses; aber rein pro korma sollten die Liebenden doch nicht
spazieren gehen.

Jn der finstern Szene der nächtlichen Königin hat mich über-
rascht, wie der Regisseur sogar eine Anweisung der Partitur, vom
Textbuch nicht zu reden, völlig mißachten konnte. Monostatos singt:
„Doch still, ich höre schrecklich rauschen, wie Donnerton und Wasser-
fall"; wenn an dieser Stelle gar nichts geschieht, so sollte der Kapell-
meister seine Entlassung nehmen. Für den fernen Donner tritt nach
den Worten: „Dir, große Königin der Nacht, sei unsrer Rache Opser
gebracht" ein so ergiebiger und anhaltender Lärm ein, daß man den
Weheruf der Getrofsenen gar nicht vernimmt, und Sarastro im Glanz
des Tages zunächst von Donner umgeben dasteht. Den Schluß sollte
man lieber musikalisch ausfeilen, anstatt durch ein Ballettchen zu
zieren. Die Gewohnheit, in Gegenwart eines singenden Chors Dritte
tanzen zu lassen, ist abgebraucht theatralisch; es ist Hofkunst, ohne
Leben. Entweder singt ein Chor, indem er ruhig steht, oder er singt
und tanzt, oder singt und arbeitet zugleich. Man denke an den Kinder-
reigen in Liszts Heiliger Elisabeth, an den Männerchor in Berlioz'
Benvenuto Cellini.

Die Aussührung alter Opern muß einer unmusikalischen oder
widermusikalischen Regie enthoben werden. Zunüchst aber dürfte man
sroh sein, wenn sich aus solche Dinge nur überhaupt die Aufmerksam-
keit hinleiten ließe. Oder verdient Mozart auch von der Nachwelt
keine Beachtung, nachdem ihn die Mitwelt in ein Proletariergrab ge-
worsen hat, so daß niemand weiß, wo seine Gebeine ruhen?

R Grunsky

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stieues vorn nllen fonrane

Er hat sich zwar im stillen darüber lnstig gemacht, als ihn Fritz
Mauthner zum ersten Male öffentlich so „neben dem »alten Fritzen« und
dem »alten Wilhelm« aufmarschieren" ließ. Aber das Epitheton bleibt ihm
doch, wenigstens im Gedächtnis der Generation, die Zeuge war seines so
sehr lebendigen, so gar nicht alten Alters. Jn den Lebensjahren um die
Siebzig herum, wo man auch dem tollsten „Revoluzzer" das Altersrecht
zu einem grämelnden Marasmus ohns weiteres zugesteht, wo die Wendung,
„Zu meiner Zeit usw." stehend wird, fand sich der alte Fontane mit seinen
besten, seinen dauernden Werken ein, und sie stammten alle sehr lebendig
aus denl dichterischen Empfinden unsrer Zeit. Jn „seine" Zeit zurück
versetzten uus die Heyse, Spielhagen, Wilbrandt, Hopfen; die Erzähler mit
dem schöngeistigen Augenaufschlag, und die beklagten denn auch mehr oder
minder deutlich das Schwinden „des" Jdealismus aus „der" modernen
Welt. Der alte Fontane tat das nicht nur nicht, sondern er bekannte

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Runstwart XVIII,
 
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