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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 10 (2. Februarheft 1905)
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Wolfrum, Philipp: Ueber Bearbeitung Bachischer Werke
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0745

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Wissenden zu gerieren, bescheiden zu den Füßen derer setzen werden,
in denen die Kunst des Meisters wiedergeboren wurde (und hier kann
man von Robert Franz immer noch mehr lernen, als von Chrysander),
erst dann wird ein ersprießliches Zusammengehen zwischen Praxis und

Theorie möglich sein.

Philipp lVolfrum

Geckick^te von Guslav Renner

Vorbemerkung. „Und nun neigt euch, ihr anderen Dichter alle,
ein König kommt daher im Purpurmantel, den sein Herzblut färbte, auf
dem Haupte die goldene Krone mit blitzenden Gedanken." „Renner ist nicht
ein Talent, sondern ein Genie." Es sind schon so viele halbe Talente
und Scheintalente als Dichtersürsten und Genies ausgerufen worden, daß
hier die Versicherung am Platze ist: Renner ist trotz solcher Ueberschwäng-
lichkeiten in der Tat ein starkes Talent. Kein Dichterfürst ünd kein Genie,
soweit sich aus dem, was vorliegt, irgendwie schließen läßt, denn seine
„blitzenden Gedanken" bewegen sich vorläufig noch zwar in hohen, aber
auch in ziemlich kleinen Kreisen, und sein Gestalten zeigt noch oft im
Arbeiten mit überlieserten und im Festgebundensein an einmal gefundene
Worte, in dem Verfallen anf Seiten hin in Redekunst, Schwächeanwand-
lungen, die das Genie doch schneller zu überwinden Pflegt. Dennoch: den
Hut ab vor diesen Gedichten! Was ihnen samt und sonders das Zeichen
gibt, ist jener heilige Kunsternst, der sich nie an Spiel genügen läßt, wo
er den Gehalt der Seele in Worte bannen will, jener Kunsternst, der die
Grenze zwischen dem Dichter und dem Virtuosen zieht. Alles ringt in
Renner, und das bedeutet: Alles wird. Zu Stnnden aber kommt in der
Tat der Geist der echten Lyrik über ihn, der so selten ist, und Vorstellungen,
Worte und Rhythmen bauen dann wundersam seine tönende Eigengebilde
zusammen. Wir dürsen gespannt darauf sein, was Renner noch schasfen
wird, auf welchem Gebiete der Dichtung es sei. Daß die Gesamtausgabe
seiner „Gedichte" die Teilnahme ernster Literatursreunde in ungewöhn-
lich hohem Maße verdient, mögen die folgenden Proben daraus beweisen.
Sie ist bei E. Th. Förster in Großlichterfelde-Berlin erschienen.

Was ist dein Ziel?

„lVas ist dein Ziel? 5o sprich l" Ich weiß es nicht.
Doch lockt es mich znr lsöhe immer, immer,
lveit unter mir verblaßt der Lrde Schimmer,

Doch frägst du mich: wohin? Ich weiß es nicht.

Mein Ziel? Ich bin es selbst. Ich fühle tief,

Daß sich in mir ein Ltwas will entfalten,

Das noch kein Name nennt, daß sich gestalten
Lin Bildins will, das immer in mir schlief.

So schlag denn zu, o Schicksal, Schlag"auf Schlagl
Ich weiß nicht, was dem Meißel sich entringt,

Nur, daß es mehr und mehr zum Lichte dringt.

Ich bin nicht meiner selbst. Linst wird es Tag.

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Runstwart XVIII, s0
 
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