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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 8 (2. Januarheft 1905)
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Gregori, Ferdinand: Vorleseabende
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Thari, Eugen: Warum es der Operette so schlecht geht
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0594

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sches „Nachtlied", vieles von der Droste-Hülshoff und manches von
dem ZarLen, was moderne Lyriker und Epiker für eine kleine Schar
geschrieben haben. Auch für den heiteren Teil ist da gut geforgt;
denn jeder Kenner erfreut sich beispielsweife an den Sprüngen des
Gumppenbergfchen „Teutschen Dichterrosses".

Aber ich empfehle diese Kost nicht dem allgemeinen Gaumen,
und keiner, der meine Allerweltsprogramme noch nicht aufgenommen
hat, braucht nach der Feinschmeckerfpeise Verlangen zu tragen. Sie
steht an Lebenswert ficher nicht über der andern, oft sogar darunter.
Diese Hinweise wollen ja überhaupt nichts weniger als alleingültige,
als unbedingt „autoritative" fein. Sie sollen, ich wiederhole es, nur
Beispiele für eine Art der praktischen Dichter-Propaganda geben.
Möchten sie ja nicht nur befolgt, möchten sie auch nachgeprüft,
ergünzt und vermehrt werden, damit unsre Großen endlich zu wahren
Herzgenossen von Millionen guter Menschen werden, damit das Wort
von der irdischen Unsterblichkeit keine bloße Phrase bleibt.

Ferdinand Gregori

Marum es cler Operelle so sckleekl gekl

Ja, es geht ihr schlecht; sogar ganz miserabel schlecht. Aber
tot ist sie, wie einige behaupten, noch nicht. Es ist ein langes Siech-
tum, ein elend Sterben in Qual und ohne Hoffnung. Und wer es
ernst mit Kunst, auch mit Kunst in heiterem Gewande, meint, foll
ihr ein baldiges Ende wünschen. Kurz war ihr Leben, lang ist ihr
Sterben. Und warum es so gekommen, ist ein lehrreich Kapitel.

Die Operette ist ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts. Das
alte Singspiel, genauer das französische Vaudeville ist der Ursprung.
Aus ihm bildete sich die komische Oper einerseits, die Operette ander-
seits. Nur daß die komische Oper älter ist und auch zu ihrem Teil
wieder mitbildend an der Gattung Operette war. Als Sauerteig er-
wiesen sich die Zeitumstände, das Paris des zweiten Kaiserreiches.
Als Offenbach, der Klassiker der Operette, nach Paris kam, schrieb
er zuerst seine hübschen Einakter. Graziöse Musik ist in ihnen zu
Fülle gehäuft. Noch heute wird manches davon, darunter sein Pariser
Debut, Fortunos Lied, gern gehört. Dann kam Offenbachs zweite
Pertode. Jn ihr fchuf er die moderne Operette, jenes Gemisch von
Frohsinn, Spottlust und ausgezeichneten musikalischen Einfällen, das
den hohen Zorn der Musikgelehrsamkeit und der moralischen Leute
in gleicher Weise erregte. Offenbach war ein Spötter, wohl der
genialste musikalische Spötter, den wir bisher hatten, aber er war
auch ein Vollblutmusiker, eins der echten Talente. Wie viele Sym-
phonieen und große Opern seiner Gegner sind verschwunden, und
wie unverwüstlich stellt sich die Lebenskraft der musikalischen Teile
seines Orpheus, seiner Helena usw. dar! Wenn in den letzten Jahren
ein stärkeres Zurückgreifen auf Offenbachs Werke wieder zu bemerken
ist, so hat das nicht allein in äußeren Umständen seinen Grund, etwa
in der Reaktion gegen die Seichtheit des heutigen Operettenwesens,
sondern auch in dem natürlichen Empfinden, daß Offenbachs Operetten



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