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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 9 (1. Februarheft 1905)
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Nodnagel, Ernst Otto: Gustav Mahler
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0673

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freudig aufschäumende Scherzo und die ausgelassen lustige Tripel-
fuge, die das Fiuale bildet, hat Mahler ein Adagietto für Streich-
orchester und Harfe eingeschobeu, ein liebenswürdiges, aber nicht be-
deutendes Sätzchen. Die Fuge ist in ihrer kontrapunktischen Meister-
schaft dem Scherzo ebenbürtig und hat manche Verwandtschaft in
ihrer Stimmung — nicht aber im Stil — mit der ein Jahr spüter
entstandenen Doppelsuge aus Richard Straußens „Linkonia äomo-
stiea".

Recht oft werden wir, und nicht nur beim Publikum, sondern
auch in unserer „jetzt so wunderlich sich ausbreitenden musikalischen
Oeffentlichkeit", der sonderbaren Ausfassung begegnen, „modern sein"
heiße in der Tonkunst so viel wie Wagner nachahmen, sein Epigone
sein. Zu erkennen, daß Wagner gerade von der Schablone besreit,
die Jndividualität emanzipiert hat, daß „modern sein" im Grunde
genommen bedeutet: eine Jndividualität sein, so weit ist
man im Verstehen Wagners noch nicht gedrungen, und konnte es auch
nicht, solange man noch bei jedem übermäßigen Dreiklang über das
„Walküren-Plagiat" hojotohote — dort kommt ja bekanntlich auch
einer vor! —

Nun, glücklicherweise haben wir denn doch eine ganze Reihe von
Persönlichkeiten, die zwar ohne die historische Voraussetzung Wagners
ebenso undenkbar wären, wie dieser ohne Beethoven, Beethoven ohne
Haydn, die aber ihr Wagner-Erbe genau so treu und selbständig ver-
walten, wie Wagner sein Beethoven-Erbe. Die Hugo Wolf, Schil-
lings, Richard Strauß als Epigonen betrachten und in einen Topf
werfen, ist das Gegenteil von Disferenzieren, ist also von
Verstehen weit entfernt. Diesen untereinander so heterogenen, dabei
so stark ausgeprägten Jndividualitäten steht als ebeuso schars aus-
geprägte, in ihrer Art ebenso selbständige künstlerische Persönlichkeit
Gustav Mahler gegenüber, von jedem unter ihnen ebenso weit
verschieden, wie diese untereinander. Wenn diese Betrachtungen dazu
beitragen, das Verständnis für die Eigenart seiner Persönlichkeit weiter
auszubreiten, dann werden sie auch dem Verständnis sür die Kunst
Mahlers weitere Kreise erschließen und sie zu weiteren Siegen führen
helsen. Denn wer noch Mahlers Symphonieen verstanden hat, der
hat sie auch liebgewonnen; sie wurden ihm seelisches Erlebnis und
so geistige Besitzerweiterung. Wo noch das Publikum den Schöpfungen
Mahlers unbefangen und willig, also empfänglich lauschte, da hatten
sie leichten Sieg. Lrnst Gtto Nodnagel

Kus IZermann Mettes Ronian „Rrsuskopf"

Vorbemerkung. Die belletristische Abteilung des Grunowschen
Verlags hat ihr ganz eigenes Gesicht: ein wenig altväterlich, immer tiichtig
und niemals modisch. Man setzt sich immer wieder einmal gern zn der
kräftigen und gesunden, nur manchmal ein wenig hausbackenen Kost dieser
Literatur: überrascht sie nicht durch Genialisches, so ärgert sie dafür auch
fast nirgends durch Flausen und leere Mache; recht eine Speise für das
gebildete dentsche Haus, also heute gewiß keine allzu häufige. Wettes

ch Februarheft lst05 6^9
 
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