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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1904)
DOI Artikel:
Aram, Kurt: Neue Romane von Frauen
DOI Artikel:
Grunsky, Karl: Klavier und musikalische Bildung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0155

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fäden herauszufinden, so erscheint einem grade nach der Seite hin
der Roman bewundernswert. Klarer und bis in die kleinsten Einzel-
heiten besser zutreffend kann man des Problems, wie es augenblicklich
liegt, in einem Romane kaum Herr werden. Und der Ausgang des
Wettkampfes? Bräuers ziehn wieder an den Rhein zurück. Statt
Herrn von Dolefchal kommt von Garczynski in den Reichstag. Hanns
Martin von Doleschal felbst, der Mann mit dem besten und idealsten
Wollen, das sich aber immer wieder an der harten Wirklichkeit blutig
stößt, macht schließlich mit sich ein Ende. Also die Polen Sieger auf
der ganzen Linie? Das nicht. Aber die Verfasserin malt die Situation
so ernst, wie sie tatsächlich ist, und kann nicht anders, als nur mit
der Hossnung schließen, daß die Lage anders werde, wenn erst die
Generation deutscher Ansiedler zahlreicher ist, die, auf diesem schwie-
rigen Boden geboren, schon auf ihm und mit ihm heranwuchs. Das
Buch gehört in jedermanns Hand, den sein Problem irgendwie be-
schäftigt. Daß wir es dabei zugleich mit einem tüchtigen Roman zu
tun haben, geht schon aus dem Gesagten hervor, das sonst nicht in
der Weise fesseln würde. Auch als schriststellerische Leistung ist dies
das wertvollste der hier genannten Bücher. Aber bezeichnend ist es
doch, daß nicht ein Mann, sondern eine Frau sich zuerst an dies
Problem und gleich mit so viel Glück und Geschick wagte. Sind es
am Ende doch noch die Frauen, die uns von der Pein der nichts als
erotischen Durchschnittsromane erlösen? Kurt Aram

Alainer unä nicrsikaU^cke Vllclurig. i

Auch in der Musik wollen wir einmal Klage sühren, daß die
seinverzweigte Teilung der Arbeit Einheit und Großzügigkeit der
Gedanken erschwere. Wird schon da, wo es auf den Flug des Wissens
ankommt, eine Uebersicht über mehrere oder alle Gebiete kaum er-
reicht, so erhebt sich der Künstler, wenn er etwas leisten will, noch
viel schwerer zur Herrschaft über mehr als ein einziges Reich. Beim
Schasfenden ist dies wohlbegründet: aber wer Musik nur aufnimmt
oder ausübt, sollte das Ziel wirklicher Gesamtbildung nie aus dem
Auge verlieren. Wohl ist es in Ordnung, daß ein Konzertgeber jahre-
lang sein besonderes Fach Pflegt und nicht mehr wie srüher in man-
cherlei zu glänzen sucht. Darf aber schon er es nicht so weit treiben,
alles zu vernachlässigen, was nicht sein Zeichen trägt, so sollt' es
sicherlich noch weniger dem Liebhaber einfallen, sich zeitlebens an ein
einzelnes Brett sestzunageln. Die Tonkunst ist gewiß die am reichsten
gegliederte Kunst, aber auch jene, die am ehesten ihre Einheit und
damit ihre reine Wahrhaftigkeit einbüßt. Die Kunstwissenschaft zeigt
es ja, wie jede Gattung ihre Sonderästhetik hervorbringt, die dann
selbstzufrieden und beschränkt vergnügt dem Jrrtum zusteuert. Da
werden Programmusik und absolute Musik gegeneinander ernsthaft
ausgespielt, als gäbe es wirklich zwei grundverschiedene Sorten von
Musik, eine „ausdrucksvolle" und eine „formvollendete". Derlei Son-
derbarkeiten sind andern Künsten erspart geblieben. Sehen wir zu,
wodurch sie in der Musik möglich werden.



>so

Runstwart XVIII, Peft 3
 
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