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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1904)
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Anthes, Otto: Der deutsche Aufsatz und die künstlerische Kultur
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Batka, Richard: Lieder zur Laute
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0464

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Aufsatz kommt. Nur weun man das Kind mit seiner kindlichen Aus-
drucksfähigkeit auf einen für es jungfräulichen Stosf losläßt, nur dann
kann ein eigener persönlicher Stil entstehen. Der Vergleich mit dem
Gehenlernen paßt hier ganz und gar nicht. Das Kind, das noch
geführt werden muß, würde ohne diese Führung einfach auf die Nase
fallen. Das Kind, das zur Schule kommt, kann schon wunderhübsch
schwatzen, viel besser meist als sünf Jahre später. Wer sprechen kann,
kann auch schreiben, sobald er das Technische des Schreibens gelernt
hat. Wenn man ihm nur nicht vorher den Mut zu der eigenen Aus-
drucksweise genommen hat. Otto Anthes

k^iecier 2ur L.aute

Es kann auch in der Kunst der Komödiant manchmal den Pfarrer
lehren. Will sagen: der naive Praktikus den wohlstudierten Mann.
Die Kunstmusik hat sich von jeher Anregungen aus der Volksmusik
geholt, wenn sie mit ihrem Latein zu Ende war, und Liebhaber und
Autodidakten nennt die Geschichte als Finder neuer musikalischer Jdeen.
Hieraus erst höhnischer Widerspruch seitens der gelehrten Zünftler;
dann langsames Nachgeben und schließlich allgemeine Anerkennung.
„So ging es, so geht es noch heute."

Aus dem Dunkel der ländlichen Gaststuben, aus dem Qualm der
Studentenkneipe strebt in unsern Tagen ein Zweig der Tonkunst in
hellere, in edlere Sphären: der Liedergesang zur Gitarre. Der ge-
schulte Musiker hat nur ein verächtliches Achselzucken dasür. Mag
sich der Dilettant damit befassen! Die alte, ewig neue Geschichte,
daß man die sogenannte „niedere Musik" den Stümpern und Speku-
lanten überläßt, die dann auf diesem Gebiet vor einem unberatenen
Publikum ganz ungestört ihr Wesen treiben dürfen; statt daß man
endlich in der Gitarre und in ihrer älteren Schwester, der Laute,
das natürliche Begleitinstrument des Volksliedes erkennte und seine
künstlerische Pflege im Volke selbst besörderte. Zumal jetzt, da die
Versuche, das Volkslied auf der Grundlage des Klaviers zu beleben,
so ziemlich als gescheitert angesehen werden können.

Denn das Klavier ist für diesen Zweck ein recht unbeholfenes,
ungeschicktes Werkzeug. Vor allem: ein recht unbewegliches, ein auf
die Stube beschränktes, kein Jnstrument für Freilustmusik. Die Laute
aber nimmt man beguem überallhin mit, auf Ausflüge, Kahnpartieen
usw. Man kann sie im Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen spielen,
und das ist wichtig. Denn auch das Volkslied gedeiht nicht nur als
Zimmerpflanze, es ist angewandte Kunst, welche die ganze Breite des
Lebens umspannt und für jede seiner Stimmungen den passenden ein-
fachsten Ausdruck findet. Ueberdies erscheint die Begleitung des Kla-
vieres für das Volkslied beinahe stilwidrig, wenn man sich nicht mit
schlichten Harmonieen oder zerlegten Akkorden begnügt, wozu der
Apparat im Verhältnis wiederum als zu groß empsunden werden
dürste. Schließlich erweist sich der hämmernde Klavierton gar oft noch
als nachteilig für das Verständnis des Textes, aus den im Volkslied
stets das meiste ankommt. Kurz, wenn auch der Gebildete an manchen
mehr oder weniger kunstvollen Klavierbegleitungen von Brahms,



2. Dezcrnberheft

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