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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1904)
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Batka, Richard: Lieder zur Laute
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0465

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Plüddeinann und andern seine Freude hat, so bleiben sie doch auf
das Musikzimmer beschränkt, wirken kaum ins Leben hinein. Und so
darf man anch in diesem Betracht das Lob der Laute singen, deren
zarter Ton die Weise eher trägt als deckt, der sie in eine Art feines
musikalisches Arom einhüllt, wie der Duft die Rose. Zuletzt dürfen
wir gerade hier auch etwas zunächst ganz äußerlich Scheinendes nicht
unterschätzen, die schöne Einheitlichkeit des Tonausdrncks, da der Lanten-
sänger sich in der Regel selbst begleitet und mit dem an einem Bande
getragenen Jnstrument ein viel gefälligeres Bild darbietet, als der
Sünger neben dem Klaviere.

Wenn man den Deutschen Vertrauen zu einer Sache beibringen
will, so muß man ihnen beweisen, daß große Männer etwas von ihr
gehalten haben. Je nun, man weiß, wie gerne C. M. von Weber
Lieder zur Gitarre komponierte oder aus dem Stegreif sang. Weniger
bekannt ist Franz Schuberts vertrautes Verhältnis zu unserem
Jnstrumente. Eine große Anzahl seiner Lieder, darunter auch einige
der Müllerlieder und Männerchöre, erschienen bei Diabelli ursprüng-
lich zur Gitarre komponiert. Jm Bette liegend, sang der Meister seinen
Freunden Mayerhofer, Umlauft und Spaun die eben komponierten
Gesänge zur Gitarre vor. Hugo Wolf konnte stundenlang zuhören,
wenn ihm der Prinz Karageorgevics spanische Straßenlieder zur Gitarre
vorsang, und geriet außer sich, als er von ein paar italienischen
Bänkelsängern das Uunieuli, kuuieula zu demselben Jnstrumente ver-
nahm. Seine Freunde glaubten darin eine Regung des romanischen
Blutstropsens in seinen Adern zu spüren. Vielleicht war es aber
doch nur die reine Freude des Künstlers über die natürlichste, urtüm-
lichste Form, in der ihm hier der Volksgesang entgegentrat. Jn dieser
Form lebt er in den romanischen Ländern noch heute, und um so
mehr, als sich unter den dortigen klimatischen Verhältnissen der größere
Teil des Lebens unter sreiem Himmel abspielt. Von den Romanen
haben die Südslaven die Vorliebe für die Zupfinstrumente übernom-
men, die sie am liebsten gruppenweis zusammenstellen, und man be-
gegnet solchen Musikanten — sogenannten Tamburaschky — in Dal-
matien in jeder Schenke. Durch slovenische und kroatische Studenten
wurden die „Gitarrenensembles" nach Böhmen verpflanzt, wo eigene
Vereine zu ihrer Pflege bestehen. Jn Rußland singt man zur Bala-
lajka, in Nordamerika zum Banjo, und nur das gelahrte, papierene
Deutschland will sich des natürlichsten aller Volksinstrumente ent-
schlagen, will das Volkslied schulmeisterlich mit dem Rüstzeug des
Klaviers verknüpfen, worunter es erdrückt und erstickt wird. Bei uns
sührte die Gitarre zuletzt ein obskures, absterbendes Plebejerdasein.

Bis auf einmal, in letzter Stunde, noch ein Rückschlag eintrat.
Der schwedische Sänger Sven Scholander erregte um die Mitte der
neunziger Jahre Aufseheu mit seinen Liedern zur Laute. Dann grifsen
die Ueberbrettel die reizvolle Sache auf. Frau von Wolzogen sang
Volkslieder zur Laute, die entzückten, obgleich die Art der Begleitung
ziemlich primitiv, auf ein paar stützende Akkorde beschränkt war. Mitt-
lerweile hatten sich in Süddeutschland Gitarristenvereine gebildet, die
zum Teil in den Fehler der Zitherspieler verfielen, die Gitarre als
Solo- und Konzertinstrument zu behandeln und ihre aufs Virtuose



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Runstwart XVIII, 6
 
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