Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1905)
DOI Artikel:
Grunsky, Karl: Wie man Zauberflöte spielt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0874

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
von Anfang bis zu Ende verulkt wird. Von einem musikalrschen Genuß
kann überhaupt nicht die Rede mehr sein. Die Begleitung des Ter-
zettes veranschaulicht das leichte Schweben; die Knaben sollten im
Flugwerk herabkvmmen und zwischen die Abschnitte des Gesangs an-
mutige Bewegungen ausführen. Was macht die moderne Regie dar-
aus? Die Knaben stehen wie die Stöcke und entschließen sich nur zu
einer Bewegung, welche den Tisch mit Speisen hervorzaubert. Dieser
Tisch kommt mit Holtergepolter mitten in der Arie zum Bretterboden
heraus, nnd wer bis dahin mit Anstrengung der Musik gefolgt ist, wird
jetzt durch Papagenos freßgieriges Benehmen um den letzten Rest des
Genusses gebracht. Ebenso fühlt sich in der Arie der Pamina Papa-
geno als Hauptperson und bringt durch Eßgerüusche die Lacher nus
seine Seite. Angesichts dieser Szenen bedauern wir aufs tiefste, daß
die Zauberflöte nicht durchkomponiert ist; am gesungenen Wort ließe
sich doch nicht mehr so viel ändern. Auch wäre die musikälische Cha-
rakteristik viel interessanter als die schauspielerische, die sich nun
Papageno gestattet; zudem hätten dann die beiden Papageno-Szenen,
die noch folgen und den dramatifchen Fluß aufhalten und den Sinn
immer wieder ins Lächerliche ziehen, erspart werden können.

Die beschriebenen beiden Prüfungsszenen werden unterbrochen
von den Vorgängen zwischen Pamina und Monostatos, zwischen Pamina,
ihrer Mutter und Sarastro; hier war die Mondschein-Szenerie sehr
stimmungsvoll. Weniger stimmungsvoll der Beifall, der Sarastros
Schlußtakte zerstörte — lieber eisige Kälte, als diese Kundgebungen!
Vor dem Finale erscheinen noch einmal die Priester (leider mit pyra-
midalen Laternen, statt mit Fackeln) und singen ihren Jsischor;
Damino, Pamina, Sarastro vereinigen sich zu einem dramatisch er-
regten, eigenartig begleiteten Terzett, das aus dem unerschöpflichen
Urquell Mozartscher Erfindung strömt. Dann bekommt Papageno das
Wort, endlich auch das musikalische, wi-eder. Man wünschte, Papa-
gena möchte ihm gleich geschenkt werden; er macht sich ihre Ent-
führung durch den Priester doch nur zunutze, indem er sich durch
einen Kulissenreißer-Witz einen heklatschten Abgang sichert. Jm Text-
buch steht von seinen Possen kein Wort.

Die Wirkung des langen Finales wird durch den mehrmaligen
Szenenwechsel arg beeinträchtigt; besonders ermüdet Papageno, der
jetzt seine Papagena erhält und dadurch den Eindruck des Chors der
Geharnischten auslöscht. Doch sind seine Späße durch die Musik
wenigstens -einigermaßen im Zaum gehalten. Jm ganzen haben wir
fünferlei Sz-enen im zweiten Finale: Paminas Wahnsinn, die Ge-
harnischten und das Wiedersehen, mit der Feuer- und Wasserprobe,
Papageno, den letzten Angriff der Königin der Nacht, Sarastro im
Glanz des Tages. Daß die Geharnischten-Szene der Höhepunkt der
Oper ist, weiß man; Bachs Kantatenchöre haben hier das Musikdrama
befruchtet. Die letzten Proben der Liebenden müssen sehr sorgfältig
überdacht werden. Früher gingen sie aus der Bühne sichtbar durch
Feuer und Wasser, oder wenipstens dicht dran vorbei. Doch glaubte
man, bessern zu müssen, wo nichts zu bessern war. Jetzt gehen Tamino
und Pamina vor einer gemalten Feuer- und Wasserdekoration jedes-
mal zur Seite, biegen in die Kulissen und kommen zu ihrem Duettchen



2. Akärzheft fyOä

8N
 
Annotationen