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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 12 (2. Märzheft 1905)
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Grunsky, Karl: Wie man Zauberflöte spielt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0873

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in unserm Falle nicht durch Baßklarinetten ersetzt. Ein Zeichen der
Achtung vor Mozart. Das Bassethorn war damals neu. Der Ton-
dichter hat es schon in der letzten Szene des ersten Finales benützt.
Nach Mozart kam das Jnstrument sehr allmählich wieder in Ver-
gessenheit. Als der jugendliche Sarastro-Lohengrin zu sprechen be-
ginnt, wäre die Szenerie stimmungsvoll, wenn die größte Pyramide
nicht gar so dicht im Vordergrunde stünde. Die Perspektive fehlt. Die
Arie mit Chor „O Jsis" ist eins der frühesten Musikstücke, das mir
als Kind beigebracht wurde. Wenn die Väter alle wüßten, welcher Dank
ihnen lohnt, so wären sie äußerst sorgfültig in der Wahl der Stücke,
die den Kindern geboten werden. Wer diese Arie schreiben konnte!
Man wird so recht inne, wie wenig das Wort Entwicklung eigentlich
sagen kann. Jn solchen Höchsten Aeußerungen des Menschengeistes ist
alles holde Gegenwart.

Zwischen Sarastros Jsisarie und dem Priesterchor an Jsis und
Osiris stehen drei Szenen, von denen zwei sür den Sinn des Dramas
von größter Wichtigkeit sind und ungefähr das zu bedeuten haben,
was im zweiten Akt des Parsisal die große Szene der Bersuchung ist.
Tamino wird geprüst, und seine Versuchung ist um so heftiger, als
sie von den gutartigen drei Damen ausgeht, die im Dienst der nächt-
lichen Königin stehen! Das zweite Mal ist völliges Stillschweigen seine
Prüsung. Diese Jdeen werden dank dem Beisein Papagenos ins Derb-
komische verzerrt, dergestalt, daß nicht ein Rest von Ernst übrig bleibt
und Mozarts Musik verloren geht. Die Jnszenierung gibt sich nicht
die geringste Mühe, den Ort der Prüsungen anschaulich zu machen.
Wir besinden uns beidemal in demselben, durchaus angenehmen, prak-
tikablen Tempelhose, der ebensogut Schauplatz hübscher Liebesszenen
wie schrecklicher Gesahren sein könnte; das „Wie, wie, wie, ihr an
diesem Schreckensort" wird sinnlos. Ebensogut wie einzeln ausge-
malte Säulen könnten Trümmer und Dorngebüsch angedeutet sein.
Eine stimmungsvolle, sachlich angeordnete Ausstattung würde über-
haupt erheblich weniger kosten als unsere Prunkdekorationen sür
müßige Gaffer, weil jene nur das Wesentliche zu bieten hätten. Wer
hat nicht schon die Enttüuschung erlebt, daß er sich nach den kurzen
Angaben unserer Klassiker weit eindrucksvollere Bilder vorstellte, als
nachher die Bühne anhäuste? Appias Buch über die Jnszenierung
Wagners gibt fruchtbare Gedanken auch sür die Gestaltung des Schau-
spiels und der älteren Oper. Doch die Hauptsache habe ich noch auf
dem Herzen: Papageno erscheint in den Prüsungsszenen nicht etwa als
das genügsame Naturkind, das uns ein Lächeln abgewinnt, sondern als
ein Mephisto, nur ohne Geist, der alle Eindrücke der Musik aufhebt.
Damit das Pathetische nicht durch Kindisches zerstört werde, hält Goethe
seinen Papageno tunlichst hinter den Kulissen; wir empfehlen Goethes
Bemerkung den Regisseuren der Zauberslöte. Es wird schwer halten,
den Sänger des Papageno zu bändigen. Jn unserm Falle stattet er den
Dialog mit zirkusmäßigen Witzen aus. Aber auch in der alten Oper
gilt der Grundsatz, daß auf der Vühne nichts gespielt werde, als was
in der Musik enthalten ist oder wenigstens zu ihr paßt. Besonders
empörend ist in der zweiten Prüsungsszene, daß das Knabenterzett
und die Klage der Pamina durch die Heiterkeitsbemühungen Papagenos

d;o Runstwart XVIII, s2
 
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