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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 4 (2. Novemberheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwart für 1905, [10]: Naturwissenschaften
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0326

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70jährigen Forschers unsere Anerkennung nicht versagen, aber auch wir folgen
ihm nur sehr oorsichlig auf seinen philosophischen Exkursionen. Wichtig für die
Entwickelung des sogenannten Darwinismus sind auch Weismanns „Vorträge
über Deszendeuztheorie", die allerdings mehr in das Gebiet der Spezialforschung
gehören. Man wird gut tun, dieser Richtung gegenüber auch die Bücher des
Botanikers Reinke, besonders „Die Welt als Tar", ebenso wie die Schriften
E. Dennerts zu beachten, besonders „Bibel und Naturwissenschaft".

Das beste moderne Volksbuch auf dem Gebiete der Entwickelungsge-
schichte ist unstreitig Carus Sternes „Werden und Vergehen". Kein
Schlechterer als W. Bö lsche hat nach dem Tode des Versassers die Bearbeitung
der 6- Aufluge übernommen. und die bis jetzt vorliegenden Lieferungen zeigen,
daß unsere Erwartungen nicht getäuicht worden sind. Hat doch Bölsche schon
vor Jahren in seiner zweibändigen „Entwickelungsgeschichte der Natur" ein
Werk geliefert, das den ganzen Entwickelungsgang der unorganischen und or-
ganischen Natur in ungemein klarem Aufbau und prächtig lebenüigem Stile
darstellt. Ein Spezialproblem behandelt Bölsche in seinem dreibändigen „Liebes-
leben in der Natur", das natürlich kein Buch für die „reifere Jugend" ist und
vorurteilslose Leser verlangt. Dagegen sind Bölsches naturgeschichtliche Skizzen
ohne jede Einschränkung zu empfehlen. Den drei Bänden „Vom Bazillus zum
Affenmenschen", „Von Sonnen und Sonnenstäubchen" und „Aus der Schnee-
grube" hat der fleitzige Verfasser jetzt eine vierte Sammlung von Aufsätzen
unter dem Titel „Weltblick, Gedanken zu Natur und Kunst" erscheinen lassen.
Wer sich über die Weiterentwickelung der Lamarck-Darwinschen Lehre auf dem
Laufenden erhalten will, greife getrost zu diesen Büchern. Er sindet darin
alles, was er braucht, und wie er es braucht. Ein treffliches Büchlein ist
auch Bölsches „Abstammung des Menschen" als erster Band der Veröffent-
lichungen der GeseUschift der Naturfreunde. Ueberaus erquicklich ist es, daß
die besonnenen Wortführer der darwinistischen Weltauffassung sich von dem
öden und kalten Alomismus der Büchner und Genossen befreit haben.

Das von Hans Krämer herausgegebene Sammelwerk „Weltall und
Menschheit" schreitet rüstig vorwärts. Der Bilderschmuck ist durchgängig zu
loben, wenn auch zahlreiche Bilder gar nicht zum Text gehören, sondern sozu-
sagen Selbstzweck sind. Sehr hübsch sind eine Reihe farb'ger Jllustrationen.
Während im zweiten Bande die Abhandlung von Hermann Klaatich über
„Eutstehung und Entwickelung des Menschengeschlechts" berechtigtes Aufsehen
erregt hat, bringt der dritte Band eine geschichtliche Darstellung der Astro-
nomie von Professor Or. Wilhelm Förster, „Die Erforschung des Weltalls"
und eine sehr breit angelegte Arbeit von Prof. Or. Weule „Die Erforschung
der Erdoberfläche", die noch im vierten Bande weitergeführt wird. Neben diesem
großen mit Pomp und Reklame auftretenden Werke spielt eine bescheidenere
Rolle Schödlers „Buch der Natur", dessen 23. Auflage von Thomä und
dem inzwischen leider verstorbenen B. Schwalbe besorgt worden ist. Der
erste Band umfaßt in etwas zu knapper Form Botanik, Zoologie und Palüon-
tologie; der zweite Band bietet uns dagegen in zwei Abteilungen ein voll-
ständiges Kompendium der Chemie, Mineralogie und Geologie. Vom dritten
Bande iit der erste Teil erschienen, der eine gute Darstellung der Astronomie bringt.

Aus dem Grenzgebiete der Geographie erwähnen wir die allgemeine
Erdkunde von Hann, tzochstetter und Pokorny, den ersten Band des
großen, von Kirchhoff herausgegebenen erdkundlichen Sammelwerkes „Unser
Wissen von der Erde". Der erste Teil, der uns hier angeht, enthält die ge-
samte Erdphysik in mustergiltiger Form und mit vortrefflichen Jllustrationen.
Wir schließen gleich noch Neumayrs „Erdgeschichte" als geologisches Kom-
pendium an, ein Buch, das ebenso wie die anderen Bände des Bibliographischen
Jnsiituts „zu den bestillustrierten naturwissenschastlichen Handbüchern der
Gegenwart"' gehört. Wir meinen allerdings, daß die Darstellung in den
meisten zu schwerflüssig ist. Die Kunst, wissenschaftlich und doch auch für einen
grötzeren Leserkreis anziehend zu schreiben, ist eben sehr selten, und Werke wie
Oskar Peschels „Völkerkunde" und „Neue Probleme" stehen einzig da.

Diese anziehende und dabei doch gründliche Art der Darstellung finden
wir aber bei dem englischen Physiker Tyndall, dessen Werke zu den besten
populären Darstellungen aus der Physik gehören. Es ist wahrlich nichts ge-
ringes, so zu schreiben, daß der Leser mit Hilfe einer einfachen Jllustration

2. Novemberheft lZOH 289
 
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