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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1904)
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Schultze-Naumburg, Paul: Heimatschutz, [2]: Lauchstädt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0101

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ihrerseits in ihre Mitte die Brunnenanlage nehmen. Eine Ballustrade
(nicht üie aus Abb. 2 sichtbare) umzieht im Quadrat die tieser liegende
Terrasse, die die Quelle birgt. Leider hat hier eine unverständige
Hand diese wirklich ganz entzückende Anlage bereits in moderner Weise
verschandelt, ohne daß man auch nur dämmernd ahnte, daß man es hier
mit einem Kunstwerk zu tun hatte. Weitere Pavillons und eine lange
gedeckte Wandelgalerie (Abb. 3) schließen sich an nnd führen die
hohen Kastanienalleen um den viereckigen Teich herum. Neben den
Brunnen-und Badehäuschen stehen Tische und Bänke unter den Bäumen,
eine kleine altmodische Konditorei versorgt die Gäste mit guten Dingen.
Es ist als ob man hier in eine glückliche frohe Zeit küme.

Unweit liegt das Theater. Aus dieses Gebäude läßt sich das
oben über die Gestaltung Gesagte nicht ganz beziehen, denn es ist nicht
mehr in seiner ursprünglichen und aller Wahrscheinlichkeit nach reinen
Form auf unsere Tage gekommen. Abb. H zeigt, was vom Aeußeren
heute^zu sehen ist. Die Gesamtsorm ist vernünftig, anständig mit den
Feinheiten der Proportionen, die in jener Zeit Selbstverständlichkeiten
waren. An ein erhöhtes Bühnenhaus mit Satteldach schließt sich der Zu-
schauerraum mit chorartigem Abschluß. Der niedere Vorbau mit Giebel
Lirgt den Eingang, die Garderobe und Treppen. Das Jnnere ist durch
eine slache, tonnensörmig ausgebildete Decke abgeschlossen. Jämmer-
lich ist üer Zustand, in dem sich das Haus befindet. Das berüchtigtp
Pappdach nimmt ihm seine Würde, Stubenmalerprodukte entstellen
es im Jnnern. Man gewinnt keine Vorstellung, wie das Ganze ge-
wirkt haben muß, als Goethe auf seinem Balkon saß, wenn man nicht
durch genaue Studien die Bauten und Räume jener Zeit kennt. Wer
ohne diese Kenntnisse eine Wallfahrt nach dem Orte tut, mag aller-
dings zu dem Ausruf hingerissen werden: reißt doch diese verschmutzte
alte Scheune ab, wenn sie nicht mehr zu halten ist!

Jch bin nicht für „stilvolle Restaurierungen". Aber eine gründliche
Besenkur, Abwaschen der Pinseleien und Erneuern eines schlichten
weißen Anstriches, wie er dem Hause gemäß ist, würden im Jnnern
schon viel tun. Eine massive Deckung und gewisse konstruktive Nach-
hilfen müßten hinzutreten. Hör ich von 50 000 Mark, die die Jnstand-
setzung kosten soll, wird mir unheimlich znmute. Nicht als ob ich
diese Summe für eine durchgreifende konstruktive Reparatur des gan-
zen Bades zu hoch fände. Aber mir bangt, wenn ich mir vorstelle,
was der übliche Mann mit 50 000 Mark in der Tasche, auf solch eine
Anlage losgelassen, anrichten kann. Jedenfalls müßts der Stadt genau
zum Bewußtsein gebracht werden, daß nicht der erste beste Maurer-
meister dazu besühigt wäre. Eine pietätvolle Hand müßte sich hier
daraus beschränken, das Vorhandene weder „auszubilden" noch zu
„schmücken", sondern nur in einen reinen und haltbaren Zustand
zurückzubringen. Schultze-Naumburg

2. Gktoberheft 79
 
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