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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1904)
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Schultze-Naumburg, Paul: Heimatschutz, [2]: Lauchstädt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0100

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legen und auf diese Weise einen höchst eigentümlichen Beitrag zu der
kommenden nationalen Schillerfeier beisteuern will.

Die Angelegenheit ist in Tageszeitungen erfreulicherweise eifrig
beleuchtet worden. Der Hinweis auf die E r i n n e r u n g s w e r t e des
Ortes hat überall Widerhall gefunden, und er allein wird vielleicht
schon genügen, Lauchstädts kleines Heiligtum zu retten. Jch möchte
dem heut noch etwas anderes hinzufügen. Den Hinweis, daß wir es
nicht allein mit einer historifch bedeutsamen Stätte, fondern mit einer
Anlage zu tun haben, die in all ihrer Bescheidenheit lebendige Werte
für uns besitzt. Es vermag in einer Zeit wie der unseren nicht weiter
zu verwundern, daß nur einige wenige fie wahrnehmen, daß fie für
die übrige Menfchheit unfichtbar find. Diefe Werte bestehen darin,
daß das Stahlbaü eine der köstlichsten Anlagen seiner Art ist und
das Ganzc als menfchliche Schöpfung ein kleines Juwel bedeutet.
Jch betone nicht das Wort „Architektur", denn in jener Zeit gehörte
die Vortrefflichkeit der baulichen Gestaltung so zu den Selbstverständ-
lichkeiten, daß man kein Recht hätte, Lauchstädt dabei besonders her-
vorzuheben. Aber die Gesamtanlage, begriffen in ihrer großen
Form, bedingt durch Lage, Anordnung, bauliche Gestaltung und
räumliche Disposition mittels Holz und Stein, Terrain, Wasser, Baum
und Pflanze ergibt einen Ort, wie er zum mindesten selten ist im
Deutschland von heute. Jch bin leidlich bewandert in der Baugeschichte
Deutschlands und kenne durch fortwührendes Reisen mit aufmerk-
samem Suchen und Aufnehmen ziemlich viel versteckte Orte unferer
Heimat. Und doch wäre ich im Augenblick verlegen, einen zweiten zu
nennen, der gleich glücklich das Thema des heiteren kleinen Bades
durchführte, wie es hier in Lauchstädt geschieht. Mit meinen kleinen
Kodakaufnahmen mache ich den Versuch, unsern Lesern zu zeigen, was
ich hier fah, als ich den Ort im Namen des Heimatschutzes aufsuchte.

Lauchstädt ist ein kleines Ackerstädtchen in einer Umgebung, die
der Mensch von heute „reizlos" nennt. Jmmer kann es nicht so ge-
wesen fein, denn die Menschen, die fich mit Goethes Augen zu sehen
bemühten, mußten in den Feldern und Wiesen des sanft welligen Ge-
ländes Reize entdeckt haben, die sie auch diese Natur lieben lehrte.
Aus den Tagen von Lauchstädts Blüte lesen wir genug vom Umher-
schwärmen zu Fuß und zu Pserde. Auch das Städtchen selbst ist noch
heute ein leidlich unverdorbenes Beispiel für gemütliche kleine deutsche
Landstädte. An seinem Rande, an drei Seiten von ihm umschlossen
liegt das Bad. Kommt man von Westen her, so gelangt man an eine
Mauer, hinter der hohe Bäume verschwiegenen Reiz ahnen lassen. Zwei
schmale Psorten sühren hinein, ein Wirtschastsgebäude tritt mit seiner
vorderen Flucht in die Mauer vor (Abb. j). Wir wissen, die Fähigkeit,
den köstlichen Reiz solcher Anlagen zu verstehen, ist der heutigen
Menschheit meist abhanden gekommen, sie sucht eine Ehre darin, wo-
möglich jede Mauer durch ein eisernes Gitter zu ersetzen. Hier pre-
dige ich ja nicht tauben Ohren, mein Bild wird sagen, was mit Worten
zu wiederholen ich mir ersparen kann.

Die mittelste Pforte führt zu einem großen Saalbau, der den
Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet. Er wird rechts und links von
zwei in der Bauslucht vorgeschobenen Pavillons (Abb. 2) flankiert, die



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