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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1904)
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0070

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Stütz-Harmonieen zu greifen. Jst die deklamatorische und melodische Eigen-
art des Gesanges erfaßt, hat sich die Schönheit von Stellen wie „Zauber-
lieder, Wunderweisen" oder „'s ist alles so heimlich, so wohlig bestellt",
„und alles dünkt mich da heimatgleich", eingeprägt und hat uns die groß-
blühtige Melodie „Mich dünkt, der Minne Wunderland hält Erd und Himmel
weit umspannt" völlig hingerissen, so ist es Zeit genug, hinterdrein das
reiche polyphone Gewebe des instrumentalen Teiles im einzelnen aufmerksam
zu betrachten. Dieses Gewebe ist in dem bei R. Feuchtinger in Stuttgart
erschienenen Klavierauszuge noch um vieles reicher. Zu dem in unserer
Wiedergabe allein enthaltenen Hauptsystem gesellt sich dort eiu zweites mit
weiteren selbständigen Stimmen, die zum Teil einen Parallelvorgang, das
langsame Auftauchen und Näherkommen des „Moormannes" schildern. Wie
Siegnot ihn erblickt, mit seinem erstaunten „Ha!", ist der Monolog zu Ende.

Der germanische Geist, zu keiner Zeit auf des deutschen Reiches Grenzen
beschränkt, tritt, wie unsere Freunde wissen, auch in den romanischen Län-
dern da und dort aus einer „lateinischen" Kunst hervor, wir erinnern an
Millet in Frankreich und Segantini in Norditalien. Auch der Norditaliener
Sartorelli wirkt in seiner Kunst auf uns Deutsche nicht wie ein reiner
Romane. Unser Bild aus der Ebene wohl des Po zeigt nicht die Kompo-
sition nur auf die geschmackvolle Bildwirkung durch Farbe oder Form hin,
die wir so oft als „italienisch" empfinden, noch das ausschließliche Achten
gewisser moderner Franzosen auf das Freilicht, zu dem der Gegenstand
sehr wohl hätte reizen können, noch andre sogenannte romanische Eigen-
schaften. Es ist auch sehr viel Stimmung, es ist sehr viel Naturgefühl
in diesem Bilde, einer weiten, weiten Fläche, deren Vertiefung in die Ferne
mit den feinsten Mitteln erreicht ist. Und das Brennen des Abendhimmels!

An umfänglichen „repräsentativen" Bildnissen unserer großen Künstler
ist kein Mangel. Wir haben Oelgemälde fast von ihnen allen, teils zu Leb-
zeiten, teils nach ihrem Tode gefertigte, schlechte, bessere und gute. Sie
sind in ausreichend großen Reproduktionen verbreitet und in solchen für
viele unentbehrlich, denn viele wollen ja die Männer, die sie besonders
verehren, von der Wand zu sich herabblicken sehen. Aber nicht immer sind
diese großen Blätter künstlerisch auch die besten, wir meinen, auch die, welche
am meisten wirklichen Lebensgehalt von unsern Toten zu uns herüberretten.
Es gibt eine Anzahl anspruchsloser, kleiner Bildnis-Blätter, die den ans-
drucksvollsten Augenblick vor seiner Flucht ins Vergangene mit höchstem
Glück erfaßt haben — ich erinnere an ein unsern Lesern noch ganz „frisches"
Beispiel, au den Schattenriß Mörikes von Konewka mit dem kleinen Reh
darunter. Wem gab der nicht mehr, als die andern Mörike-Bildnisse aus
des Dichters Lebenszeit? Und wem gibt Willy von Beckeraths „Brahms
am Flügel" nicht mehr, als die großen Brahmsbildnisse? Es ist so intim,
dieses Bild, daß man sich fast zudringlich fühlt, den Mann beim Spiele
hier zu belauschen. Wie ganz ist er dabei! Haltung, Hände, Augen, Mund —
es ist wirklich eine Künstlergabe a l l e r glücklichster Stunde. Der Steindruck
im Original ist natürlich noch größer und schöner, man wird Abdrücke davon
vom Künstler selbst (München, Leopoldstraße ?9) nachgewiesen erhalten.

Und Adols Menzels „Tafelrunde in Sanssouci". Der König, der
sich blitzend mit Voltaire unterhält, Voltaire, die Antwort schon im zuckenden
Auge, die andern alle mit ihrem Behagen in feinstbelebter Geistesgeselligkeit,
wührend der Wein perlt und die Schale kreist — wer hätte das annähernd

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