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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1904)
DOI Artikel:
Schumacher, Fritz: Kind und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0160

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Wenn mich mein Erinnern nicht täuscht, war die Zeitschrift nach
dem damaligen Stand der Entwickelung (New Aork, Anfang der acht-
ziger Jahre) mit künstlerischem Sinn ausgestattet, auch suchte sie durch
Wettbewerbe und sonstige Vorschläge zeichnerische Fähigkeiten halb
spielend in Bewegung zu setzen, und gerade die Antriebe zu gestaltender
Betätigung spielten im ganzen Kreis meiner Knabenfreunde eine be-
deutsame Rolle.

Wenn ich mir nun eine derartige Zeitschrift, die sich an die
Jugend selber wendet, im Bunde denke mit dem ganzen Stabe aller
derer, die heute aus warmem Herzen heraus dem Kinde unvermerkt
die Segnungen der Kunst zuführen wollen, so scheint mir, daß man
hier wirklich ein Saatmittel in Händen hätte, das reiche und sichere
Ernte verspricht. Jch glaube, daß die meisten Künstler durch den un-
mittelbaren Verkehr mit dem Kinde viel stärker zum Geben angeregt
würden, als wenn sie ihr Werk erst in die Hände von Eltern legen,
— ich glaube aber vor allem, daß die besonders wertvolle Mitarbeit
der Nichtberusmäßigen, die nur dem Kinde zuliebe gelegentlich ihr
Herz ösfnen und Künstler oder Erzieher werden, endlich aber, daß die
allerwertvollste Mitarbeit der jungen Leser selbst nur aus diese Weise
wirklich lebendig wird.

Warum also vereinigen sich die Freunde der Kunst im Leben
des Kindes nicht zu einer Zeitschrift, die unmittelbar zum Kinde
spricht und das herbeiführt, was in den ersten Jahren gute Bilder-
bücher leisten können? Man dars doch bei der Sorge um das Bilder-
buch nicht stehen bleiben, denn die Jahre, die dem Bilderbuche solgen,
sind wohl noch wichtigere, und bei dem eigentümlichen Tasten nach
eigener Betätigung, das in ihnen zu herrschen Pflegt, spielen meistens
Gebiete eine große Rolle, in denen ein heilsamer, geschmackbildender
Einfluß einsetzen kann. Die meist mit fieberhafter Leidenschast aus-
tretenden Neigungen zum Lesen, Sammeln, Zeichnen, Tischlern, Ex-
perimentieren, Botanisieren usw., denen manchmal selbst die besten
Eltern mit einer gewissen Besremdung oder doch mit Ratlosigkeit
gegenüberstehen, die sich leichst in leisem Spotte äußert, gibt so un-
endlich viele Anhaltspunkte zum veredelnden Einfluß auf die An-
schauungen eines Werdenden. Was hier den Eltern oftmals selbst
beim besten Willen versagt ist, könnte eine richtig geleitete Zeitschrist
in vielen Fällen leisten. Vielleicht in keinem anderen Lebensalter
reichen so viele Menschen der „Kunst" den kleinen Finger hin, und meist
treffen sie eine tote Hand.

Noch eines ist zu beachten. Ein Blatt, das sich an den Erzieher
wendet, kann man einem Kinde niemals in die Hand geben, nur Alt-
kluge würde es machen, ein Blatt aber, das für Kinder geschrieben
wird, können Eltern sehr gut in die Hand nehmen, und tch glaube,
daß sie aus einer einzigen gut gemachten Nummer mehr lernen
könnten, als aus zehn Abhandlungen darüber, was zu machen ist.

Jch gebe gern zu, daß es aus diesem Gebiete auch noch vielerlei
theoretisch zu erörtern gibt; aber üben solche theoretische Erörter-
ungen, besonders wenn sie werbender Natur sein sollen, nicht einen viel
größeren Einsluß aus, wenn sie in der Umgebung einer allgemeineren
Zeitschrist ihr Wort erheben, als in einem Organ, das natürlich sast

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