Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1904)
DOI Artikel:
Unsere Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0506

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Anlere LUclev uncl j^olen

Bei den Weihnachts-Bildern, die wir diesem Hefte beigeben,
ist viel zu sehen, aber wenig zu sagen. Wie weit sind die Wege von
van Dyck zu Botticelli, und wie reizvoll ist es, nber Zeiten und
Länder hinweg dasselbe allgemein Menschliche sich seinen Ausdruck bilden
zu sehn. „Es sagen's allerorten alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
sedes in seiner Sprache." Und so dürfen auch wir Heutigen es ganz in
der unsern sagen. Fritz von Uhdes „heiliger Abend" ist unter all

seinen religiösen Bildern sicherlich eines der für uns Deutsche von heut
allerschönsten, weil es von unsern Vorstellungen sowohl wie Gefühlen gar
keine Reise ins Ausland verlangt, weil es ganz heimatlich ist. Wir kennen
diese Landschaft in ihrem Schneeduft, wir verstehen diese beiden, von denen
nach mühseliger Wanderung der Mann querfeldein nach Obdach sucht. Und
sie! Jch glaube, dieses in Schmerzen hosfende junge Weib, das dem
Manne nachschaut und dabei in Sinnen kommt, ist die seelisch schönste
Gestalt, die Uhde geschafsen hat. Berührt hier der Heiligenschein nicht, als
hab' ihn der Maler, ergrifsen von seinem eigenen innern Gesicht, schier
unwillkürlich über das edle Haupt der Trägerin des Menschheitleides
gesetzt? —

Ein besonders Ding ist die Weihnachtspyramide aus dem

sächsischen Voigtlande, die wir mit der letzten Beilage zeigen. Das ist

ein Stückchen „Volkskunst", mit Ausnahme der nicht gerade schönen in
fertigen Streifen gekauften „Blechgelünder" ganz und gar im Hause selber
gemacht. Wie viel bescheidene aber doch wirkliche Kunstarbeit bedeutet das,
wie viel Behaglichkeit des gemeiusamen Schnitzens, Bästelns, Malens an

Feierabendstunden, und wie häufiges Verweilen bei weihuachtlichen Gedanken!
Es sind noch manche solche Pyramiden erhalten, auch noch schönere als
diese, eine jede Familie war auf die ihre stolz. Unten sind meist Tiere
zu sehn, in der Mitte ist's die Krippe mit den drei Königen, oben sind
es meist Engel. Brennen die Kerzen, so dreht sich das Fächerrad und
alles im Jnnern dreht sich mit seinen Figürchen langsam und leise mit.
Mitunter klingen Glöckchen dazu. Sind nicht zwischen unsern Lesern Kinder
und Kinderfreunde, die für nächste Weihnachten auch etwas derartiges machen
mögen, damit dieser alte Brauch erneuert werde? Er verdient's.

Unsere Notenbeilage illustriert den Aussatz über den Lieder-
gesang zur Laute (Gitarre), indem sie bisher nicht veröffentlichte Proben
des vortrefflichen Scherrerschen Satzes für dieses Jnstrument darbietet.
Wer des Spielens mächtig ist, wird bald erkennen, daß diese Art der
Begleitung, obwohl fern von jeder Ueberladenheit und ganz aus dem
Charakter der Gitarrentechnik erfunden, von der seichten m-tuta, m-tutu-
Begleitung, womit man im (8. Jahrhundert Lieder zu akkompagnieren
pflegte, sehr verschieden ist und auch einen musikalischen Menschen zu fesseln
vermag. Vielleicht holt, davon angeregt, doch einer seine Laute von der
Wand oder legt sich eine neue unter den Weihnachtsbaum. Für die vielen,

2. Dezemberheft

§63
 
Annotationen