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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 7 (1. Januarheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0559

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Wer hätte noch vor fünfzehn
Jahren einen Möbelzeichner fachsim-
peln hören mögen! Wenigstens
wenn er von seiner Kunst sprach. Er
kombinierte Renaissanceornamente;
wenn er dafür begeistert gewesen
wäre, hätte man es für kiudisch
genommen — und das wäre es auch
gewesen. Es hat sogar Zeiten ge-
geben, in denen es ähnlich mit der
Literatur stand! Verzichtete man
aber in beiden Fächern auf die
Kunst in der Sache und sprach vom
Handwerk, so konnte das interessant
sein. Denn in der Kunst lebte man
nicht, wohl aber im Möbel- und
Literatenhandwerk.

Und wie stark eine Fachsimpelei
in rein handwerklichen Dingen an-
regend und erregend wirken kann, da-
von haben wir ein merkwürdiges und
ergreifendes Beispiel in den Denk-
würdigkeiten des Arbeiters Fischer
erlebt. Diese Bücher handeln wie
von alltäglichsten Ereignissen so von
gewöhnlichster Arbeit, die beide einem
doch ganz fremd und wunderbar
vorkommen, sodaß die Bücher zu
den allerinteressantesten gehören, die
man überhaupt lesen kann. Sie
handeln eben von Dingen, denen
ein lebendiger Mensch in die innere
Struktur hineinleuchtet in Freuden
und Sorgen und gespannten Ge-
danken, und die er mit beweglich-
ster Teilnahme schildert; von Din-
gen also, die Zusammenhang mit
dem menschlichen Herzen, d. h. dem
„Kern der Natur" gewonnen haben.
Die Arbeit an ihnen ist dadurch
Kulturarbeit geworden.

Wahre Kultur kann nicht in etwas
bestehen, das man irgendwo in einer
Schule oder in einem Buche unver-
sehens erlernen kann. Es muß etwas
sein, das ebenso in der einfachsten
Arbeit stecken kann. So fordern
wir es unwillkürlich und instinktiv.
Und so ist es auch. Die innere
Beteiligung macht eine Arbeit zur

Kulturarbeit — sofern dabei der
Mensch beurteilt wird, der sie leistet-
Gewiß kann eine Kulturarbeit durw
einen Menschen ausgeführt werden,
der kein inneres Verhältnis zu ihr,
keine „Kultur" hat. Dann ist ^
Arbeit Kulturarbeit durch ihren
finder, Auftraggeber, ja durch ihren
Zusammenhang oder Zweck. ^ei
Mensch aber, der sie ausführt, ip
nur ein gefälliges Werkzeug, trne
ein Messer, ein Schleifstein oder Ärw
boß. Andrerseits kann eine seh^
geringe Arbeit von einem Mensche"
ausgeführt werden, der durch ine
Art, wie er sich zu ihr stellt, eine
Höhe der Kultur beweist, die viele
Glieder sogenannter höherer Kultur-
schichten beschämt.

Und wodurch sind heute Möbei
und Literatur gesprächsfähig genor^
den auch nach ihrer künstlecischen
Seite hin? Eben dadurch, öaß sie
von lebendigen menschlichen Jnterest
sen und Hoffnungen durchleuchiei
und, möchte man sagen, durchlüftei
sind, daß sie in Verbindung init
dem Menschsein geraten sind.

Ruskin meint, alle Arbeit, bü'
mit Freude gemacht werde, sei Kunst-
Das ist etwas viel gesagt. Siche^
aber ist sie Kultur. Und jeder^
falls kommt da, wo es qeschiehi,
Kultur hin, es entsteht sozusageu
ein Kulturgebiet da, und das äuße^i
sich unter anderem darin, daß von
der Arbeit mit Jnteresse gesprochen
wird und Jnteresse für sie erwecki
wird, daß mit Lust und Liebe ""
„gefachsimpelt" wird.

Arthur Bonus

G Neue Bücher

Von Paul Scheerbart ist iin
Kunstwart lange nicht die Rede g^
wesen. Bei seinen Verehrern gi^
er als ein Mann von kosmisch^n
Humoren. Man kann sich darunte'-
nicht leicht etwas Greifbares vor^
stellen. Das eben ist der Hurnor'
davon. Einen andern wenigsten^

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Runstwart XVIII,
 
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