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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 8 (2. Januarheft 1905)
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Avenarius, Ferdinand: Wie feiern wir Schiller?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0588

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Ein jeder von uns weiß Forderungen der ästhetischen Kultur, die sich
verwirklichen ließen, fehlte es nicht am Geld. Da ist ein schöner
alter Bau, den der Besitzer abreißen will, weil ihm der Verkauf des
Grundstücks mehr einbringt — wie, wenn die Stadt den Mehrbetrag
aufbrächte und dann nuf einer Tafel besagte: „Schillern zu Ehren
l905 gesichert durch die Stadt"? Dort tut ein Brunnen not — man
mache ihn schöner als sonst, man mache einen „Schillerbrunnen" dar-
aus, womit übrigens ja nicht gesagt werden soll, daß man ihn mit
Emblemen oder auch nur einem Medaillon aufputze — im Sinn wahr-
haftiger ästhetischer Kultur sachlich gestalten, eben das heißt ja schon:
Schillern aus das bestmögliche ehren. Oder man errichte an
schöner Stelle eine Ruhebank Schillern zu Ehren in edlerer
Form. Es sind tausend Möglichkeiten für große und kleine,
städtische und dörfliche, össentliche und private Säckel, mein Vor-
schlag ist nur: man schlage, höchst prosaisch gesprochen, zwei Fliegen
mit einer Klappe. Man setze nicht Steine oder Medaillons oder Denk-
mäler mit dem einzigen Zwecke, an den Schillertag zu erinnern,
sondern man srage sich zuerst: was kann die ästhetische Kultur am
Orte brauchen, und verbinde mit der Befriedigung dieses Bedürf-
nisses die Ehrung des großen Forderers ästhetischer Kultur. Und will
man nur einen Schiller-Baum setzen, so setze man ihn nicht einer
abstrakten Jdee zuliebe vhne weitere Ueberlegung vor Schulhaus oder
Gemeindeamt, sondern nach reiflicher Umschau dorthin, wo die Land-
schaft ein gesicherter Freiwuchs-Baum (es braucht ja nicht immer eine
Eiche zu sein) am meisten zieren kann. Und immer wieder halte man
aus die Losung unsrer ganzen Bewegung: „Künstler heran!" Kein Fabri-
kant, kein Händler, kein Unternehmer darf sich verletzt fühlen, wenn
wir ihm sagen: laß dich hier vom Künstler leiten, hier wenig-
stens, wo es Schillern gilt, und wenn wir das zur Bedingung unsrer
Aufträge machen. Man frage die besten Maler, Bildhauer und Künst-
ler-Baumeister, nicht etwa die landläufigen Geschäftsleute und Alles-
macher, um ihren Rat, zu dieser Gelegenheit werden sie ihn mit
doppelter Freude geben.

Zum Schlusse noch etwas, das nur auf den ersten Blick in
lockerm Zusammenhang gerade mit den Schillerfeiern zu stehen scheint,
das tatsächlich in einem ties innerlichen mit ihnen steht, und jedenfalls
etwas, das bei dieser Gelegenheit so gut wie bei keiner andern auss
neue zur Sprache gebracht werden kann. Wollen sich nnsre Kirchen
als Festräume auch dieser weltlichen Feier verschlossen halten? Die
Frage der Oeffnung unsrer Gotteshäuser für weltliche Feiern über-
haupt ist srüher im Kunstwart angeregt und von verschiedenen Seiten
erörtert worden. Jn manchen Gauen mit deutscher Sprache denkt
man darüber ja schon freier, als meistenorts im Reich, in der Schweiz
z. B. haben sich zur Böcklinseier sogar Münsterpforten geöffnet. Aus
Bremen lesen wir jetzt von „Schillerpredigten", man will sie, wenn
wir recht verstehen, in der Kirche abhalten. Die Dorfkirchen ihrer-
seits sind jedenfalls schier überall zu ernsten Feiern die einzigen wür-
digen Binnenräume am Ort — ist es wirklich recht, daß man einen
Schiller von ihnen weg ins Wirtshaus verweist? Bei den Katholiken
kann ich die Zurückhaltung verstehn, da hat, geweiht, der Gottesraum



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