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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 8 (2. Januarheft 1905)
DOI Artikel:
Thari, Eugen: Warum es der Operette so schlecht geht
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0598

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tung trikotbekleideter Beinpracht. Die Gedankenarmut und das Fehlen
jedes ästhetischen Zieles, das in den Operettenlibretti herrscht, steht
allerdings aus diesem Gebiete nicht vereinzelt da, sondern ist in gleicher
Weise beim Schwank, manchmal auch im Lustspiel anzutressen. Ueberall
stoßen wir aus Vergröberung in der Besriedigung des Unterhaltungs-
bedürfnisses. Daß aber auch manche anerkannte Operettenkomponisten
aus diesem Sumpfe nicht herauskommen, sondern immer wieder solche
geistesarme Produkte vertonen, kann wundernehmen. Man sagt, sie
wollten wohl gern ordentliche Textbücher haben, aber sie böten ihren
Librettisten zu schlechte materielle Bedingungen, will heißen, zu knappen
Anteil an den Tantiemen. Die Folge davon: bessere Literaten zögen
es vor, ihre Gedanken statt zu Operettenbüchern zu Lustspielen usw.
zu verarbeiten, wo ihnen üann erstens mehr Theater zur Verfügung
standen, anderseits die volle Tantieme znsiele. Möglich, aber man
sollte doch auch berücksichtigen, daß von je her die Operettenbücher
nicht ideal waren, daß z. B. auch Offenbach manchen weniger guten
Text mit Musik versehen hat. Der Unterschied ist nnr der, daß
Ofsenbach auch mit einem schlechten Text etwas anzusangen wußte.

Die Schablone, die sich über Text und Musik gebreitet hat, liegt
auch über Darstellung und Regie. Aber die Darsteller und die Re-
gisseure sind zu entschuldigen, sie können ja nichts anderes spielen,
als was ihnen gegeben wird. Wenn jemand Abend für Abend den-
selben Hanswurst, bald in Frack, bald in historischem Kostüm, bald
mit graner Weste, bald mit gelber darstellen muß, dann beginnt die
Routinierarbeit von selbst. So gut wie das moderne naturalistische
Schauspiel eine andere Schauspielkunst hervorgerusen hat, würde auch
eine bessere Operette anf die Bühne zurückwirken und dem Darstel-
lungs- und Regieschlendrian, dem Starsystem usw. entgegenwirken.

Wenn wir gesragt werden, wie eine Besserung aller dieser Zu-
stände zu erlangen ist, so rusen wir also: los von der Schablone.
Aber wie kommen wir von ihr los? Eine Rückkehr zur komischen
Oper, eine Verbindung von ihr mit der Operette ist ausgeschlossen.
Von den Jdeen, die das Ueberbrettl versprach, hoffte man viel. Leider
wurde aus der Ueberbrettelei eine Art literarisch-musikalisches Kaffee-
krünzchen, aber gewiß nicht das, was der Operette zum Segen hätte
gereichen können. Prophet zu sein, was einst werden wird, ist un-
möglich. Wir können nnr hofsen. Hoffen, daß endlich ein Mann
komme voll musikalischer und dramatischer Talente, der kraft seines
Genies das Richtige trisft. Der auch den Mut hat, der jetzt be-
liebten Manier zu trotzen, und nicht einmal verzagt, wenn er vom
Theaterverleger die Antwort hört: „Das soll ein Geschäst sein? Der
macht ja Pleite, der so was anssührt." Unsre Wünsche werden immer
nngeheuerlicher: möge sich einer sinden, der das Aufsühren trotzdem
riskiert, ja üer nicht einmal verlangt, daß ein Couplet eingeschoben
wird, damit Fräulein 2) ihre schöngeschwungene Wade mitspielen
lassen, noch eine Szene, damit der Komiker sich auf den Kopf
stellen und mit den Füßen die große Trommel schlagen könne. Wer
Gelegenheit hatte, von Geheimvorgängen vor Operettenpremieren zu
hören, weiß von solchen Dingen ein erbaulich Lied. Zum dritten möge
der Operettenpfadfinder eine gute, d. h. in diesem Falle verständnis-

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