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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 9 (1. Februarheft 1905)
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0714

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Eine Freude gewährt es uns, den Lesern heut eine gute Reproduktion
nach Eduard von Gebhardts „Auferweckung des Lazarus" über-
reichen zu dürfen. Und eine ganz befondere, ihr den Ausschnitt beifügen
zu können. Ueber Gebhardts tiefernste Kunst als solche ist nichts Neues
mehr zu sagen, über den Kopf der von des Heilands Hand Gesegneten
auch nicht, es sei denn das: in ihm haben wir eine der innigsten Leistungen
der ganzen deutschen Malerei vor uns. Es ist, als habe Gebhardt mit
aller Jnbrunst in diesem Frauenhaupte die heilige Wahrheit gestaltet: daß
erst das Durchleiden des tiefsten Schmerzes zum Erfassen des höchsten Glückes
fähig macht.

Als besonders prägnantes Beispiel für Gustav Mahlers Stil im
Pathetischen bringen wir das riesenhaft dimensionierte Hauptthema des ersten
Satzes aus der Symphonie Nr. 3 zum Abdruck. Die acht ersten Takte ent-
halten die vier Begleitmotive, die gleichsam den Unterbau bilden für den
kühngeschwungenen Bogen dieses langatmigen Melos, das sich auf volle
90 Takte erstreckt. Das scharf hervortretende Triolenmotiv der Trompete
mit der schneidenden, als Wechselnote eintretenden Septime dient in dem
melodischen Bau des Themas sozusagen zum Jnterpunktionszeichen, das die
Gliederung deutlich hervortreten läßt und die Perioden abschließt. Die
Ausdehnung dieses melodischen Gebildes wird minder ungeheuerlich erscheinen
und leichter zu übersehen sein, wenn man den Ganzen Takt als rhythmische
Einheit und Gruppen von je vier Takten als die eigentlichen Takte be-
trachtet. Wie in diesem Sinne die übergeordneten Taktstriche zu denken
find, das ist im Notenbild durch Kommata über dem Notensystem ange-
deutet. Ganz lehrreich für die Erkenntnis der rhythmischen Struktur des
Themas ist es auch, sich das Melos in rhythmisch reduzierte Notenwerte
zu übertragen, so daß jeder Viertakter zu einem O-Takt, jede Ganze Note
zum Viertel, jedes Viertel zum Sechzehntel wird. Jn der zweiten Exposition
des Satzes drängt Mahler das Thema nachher aus fast die Hälfte seines
Umfanges zusammen und läßt es durch die Soloposaune zu Gehör bringen.

Eine kennzeichnende Probe für Mahlers Stil im Jdyllischen haben
wir bereits vor einigen Jahren (Kw. XI, jO) mit einem größeren Bruch-
stück aus dem Andante der e-inoll-Symphonie (Nr. 2) unseren Lesern vor-
geführt.

Um eine Vorstellung von Mahlerschen Adagien, von seinem Stil im
Erhabenen und Religiösen zu geben, lassen wir noch die Exposition des
langen, wunderbar steigernden Finales aus der Dritten Symphonie folgen.
Einer Erläuterung bedarf das Bruchstück nicht. Nur so viel möge erwähnt
sein, daß der ganze abgedruckte Teil nur vom Streichorchester zu Gehör
gebracht wird. Erst im nächstfolgenden Takt tritt die Oboe hinzu und
bringt damit einen leidenschaftlicheren Ton. Die Posaunen sind bis zum
Höhepunkt des Satzes aufgespart, der in seinem Aufbau Vergleichspunkte
mit dem Lohengrinvorspiel bietet. L O Nodnagel

Verantwortlich: der Herausgeber Ferdinand Avenarius in Dresden-Blasewitz — Mit-
lritende für Mustk: vr. RichardBatkain Prag-Weinberge, für bildende Kunst: Prof. Paul
Schultze-Naumburg in Saaleck bei Kösen in Thüringen --Sendungen für den Text an
den Herausgeber; über Must! an vr. Karl Grunsky, Stuttgart, Stitzenburgstr. t —sVerlag
von Georg D. W. Callwey, Druck von Kastner L Callwey, kgl. Hofbuchdruckerei in München —
Bestellungen, Anzeigen und Geldsendungen an den Verlag Georg D. W. Callwey in München

660 Runstwart XVIII, 9
 
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