Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1905)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Aus der Geschichte des Zerrbilds
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0785

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
merkung soll kein Vorwurf sein. Das erste derart umfassende Geschichts-
werk mußte zunächst einmal das Geschehene nach Zeit und Ort ab-
wickeln und auf einen allgemeinen Hintergrund spannen. Die Frage
nach den Wandlungen der Form mußte fürs Erste und wird wohl anch
noch eine Weile offen bleiben. Denn erst die ganze breite Fülle des
Stoffes, des bildlichen Anschauungsmaterials, das wir Fuchsens großem
Sammelfleiße verdanken, zeigt, wie schwierig und kaum zu sassen diese
bewegliche Kunst in ihren Hunderttausenden flüchtiger Gestalten sich
abwandelt. Der Augenblick gebiert sie, in seinem Dienste geht sie zu

Abb. 1 Sog. Spottkruzifix aus Rom

einem guten Teile auf, aus seinen Bedingungen heraus will sie ver-
standen sein, besser als jeder andere Niederschlag bildender Kunst.
Und doch erstirbt sie nicht mit ihrer augenblicklichen Wirknng, sondern
sie lebt durck den Verfall ihrer zeitlichen Formbedingungen hindurch
ein seltsam dauerndes Leben, kraft ihrer Form, und eben das macht
sie zur Kunst. Zur Kunst der Narrenweisheit, die über die unsterb-
liche, in unerschöpflich neuen Formen und dennoch mit alteingewohn-
ten Jnstinkten einherziehende Narrheit der Welt ihr Schnippchen, ihre
Trommel oder ihre Pauke schlägt, zornmütig in die Posaune stößt und



p Alärzheft

725
 
Annotationen