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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1905)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Aus der Geschichte des Zerrbilds
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0793

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freilich kaum bewußte, sondern unbewußte oder unsreiwillige Kari-
katuren: das technische Können versagte. Dagegen spricht das Bild
Luthers, der seinen Bauch samt seinen Mitreformatoren auf dem Schub-
karren vor sich herfährt und einen riesigen Humpen schwenkt, ohne
weiteres die satirische Absicht aus. Daß ihm der anonyme Zeichner
obendrein eine ganze Hucke voller Feinde aufgepackt hat, spricht durch
die notgedrungene Kleinheit ihrer Verhältnisse eher für als gegen
Luther, soll ihm aber wohl Großsprecherei über seine Widersacher aus-
mutzen. Als ein Virtuos schafft Callot Bettlergrotesken: er karikiert

Mach still und sroh

mal so

und so,

Abb. tt lVilhelm Busch: Anleitung zu hiftorischen jdorträts

die Krüppel, aber so merkwürdig organisch mit großen Höckern, aus
denen der Kopf herausgewachsen scheint, daß vor der Schnurrigkeit
solcher unmöglichen Erscheinungen ihre Jammernswürdigkeit ganz zu-
rücktritt (Abb. 7). Die Karikatur kann selbst das Widerwärtige und
Ekelerregende erträglich machen, dadurch, daß sie ein freies Spiel
mit ihm treibt und es übertreibt. Dann überwiegt in uns die tief-
eingeborene Freude am Spiel, am drolligen Einfall und das Jnteresse
am Stoffe tritt, ohne ganz zu erlöschen, zurück. Callots Nachahmer
und Nachsolger in langer Reihe haben dann mit Vorliebe körperliche

y Akärzheft

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