Wolke von buntscheckigen Phrasen einzubalsamieren. Er hörte ihr andächtig
zu nnd wagte zuweilen selbst einen schönen Ausspruch, den sie ihm aber,
kaum geboren, totmachte mit einem noch schöneren; dies war das Geistigste
und Edelste ihrer Jahre, durch keinen gröberen Hauch getrübt, und der
junge Mensch band ihr während derselben alle ihre Bücher neu ein, und
bauete überdies während vieler Nächte nnd vieler Feiertage ein kunstreiches
und kostbares Dcnkmal seiner Verehrung. Es war ein großer chinesischer
Tempel aus Papparbeit mit unzähligen Behültern und geheimen Fächern,
den man in vielen Stücken auseinandernehmen konnte. Mit den seinsten
farbigen und gepreßten Papieren war er beklebt und überall mit Gold-
bördchen geziert. Spiegelwände und Säulen wechselten ab, und hob man
ein Stück ab oder öffnete ein Gelaß, so erblickte man neue Spiegel und
verborgene Bilderchen, Blumenbuketts und liebende Pärchen; an den aus-
geschweiften Spitzen der Dächer hingen allwärts kleine Glöcklein. Auch ein
Uhrgehüuse für eine Damenuhr war angebracht mit schönen Häkchen an
den Säulen, um die goldene Kette daranzuhängen und an dem Gebäude
hin- und herzuschlängeln; aber bis jetzt hatte sich noch kein Nhrenmacher
genähert, welcher eine Uhr, und kein Goldschmied, welcher eine Kette auf
diesen Altar gelegt hätte. Eine unendliche Mühe und Kunstfertigkeit war
an diesem sinnreichen Tempel verschwendet und der geometrische Plan nicht
minder mühevoll als die saubere genaue Arbeit. Als das Denkmal eines
schön verlebten Jahrs sertig war, ermunterte Züs Bünzlin den gutcn Buch-
biuder, mit Bezwingung ihrer selbst, sich nun loszureißen und seinen Stab
weiter zu setzen, da ihm die Welt offen stehe und ihm, nachdem er in
ihrem Umgange, in ihrer Schule so sehr sein Herz veredelt habe, gewiß
noch das schönste Glück lachen wcrde, während sie ihn nie vergessen und sich
der Einsamkeit ergeben wolle. Er weinte wahrhaftige Tränen, als er sich
so schicken ließ und aus dem Städtlein zog. Sein Werk dagegen thronte
seitdem auf Züsis altväterischer Kommode, von einem meergrünen Gaze-
schleier bedeckt, dem Staub und allen unwürdigen Blicken entzogen. Sie
hielt es so heilig, das; sie es ungebraucht und neu erhielt und gar nichts
in die Behältnisse steckte, auch nannte sie den Urheber desselben in der
Erinncrung Emanuel, wührend er B>,it geheißen, und sagte jedermann, nur
Emanuel habe sie verstanden und ihr Wesen ersaßt. Nur ihm selber hatte
sie das selten zugestanden, sondern ihn in ihrem strengen Sinne kurz ge-
halten. und zur höhercn Anspornung ihm häufig gezeigt, daß er sie am
wenigsten verstehe, wenn er sich am meisten einbilde es zu tun. Dagegen
spielte er ihr auch einen Streich und legte in einen doppelten Boden, auf
dem innersten Grunde des Tempels, den allerschönsten Brief, von Tränen
benetzt, worin er eine unsägliche Betrübnis, Liebe, Verehrung und ewige
Treue aussprach, und in so hübschen und unbefangenen Worten, wie sie
nur das wahre Gefühl findet, welches sich in eine Vexiergasse verrannt hat.
So schöne Dinge hatte er gar nie ausgesprochen, weil sie ihn niemals zu
Worte kommen ließ. Da sie aber keine Ahnung hatte von dem verborgenen
Schatze, so geschah es hier, daß das Schicksal gerecht war und eine falsche
Schöne das nicht zu Gesicht bekam, was sie nicht zu sehen verdiente. Auch
war es ein Symbol, daß sie es war, welche das törichte, aber innige und
aufrichtig gemeinte Wesen des Buchbinders nicht verstanden.
782 Runstwart XVIII, ist
zu nnd wagte zuweilen selbst einen schönen Ausspruch, den sie ihm aber,
kaum geboren, totmachte mit einem noch schöneren; dies war das Geistigste
und Edelste ihrer Jahre, durch keinen gröberen Hauch getrübt, und der
junge Mensch band ihr während derselben alle ihre Bücher neu ein, und
bauete überdies während vieler Nächte nnd vieler Feiertage ein kunstreiches
und kostbares Dcnkmal seiner Verehrung. Es war ein großer chinesischer
Tempel aus Papparbeit mit unzähligen Behültern und geheimen Fächern,
den man in vielen Stücken auseinandernehmen konnte. Mit den seinsten
farbigen und gepreßten Papieren war er beklebt und überall mit Gold-
bördchen geziert. Spiegelwände und Säulen wechselten ab, und hob man
ein Stück ab oder öffnete ein Gelaß, so erblickte man neue Spiegel und
verborgene Bilderchen, Blumenbuketts und liebende Pärchen; an den aus-
geschweiften Spitzen der Dächer hingen allwärts kleine Glöcklein. Auch ein
Uhrgehüuse für eine Damenuhr war angebracht mit schönen Häkchen an
den Säulen, um die goldene Kette daranzuhängen und an dem Gebäude
hin- und herzuschlängeln; aber bis jetzt hatte sich noch kein Nhrenmacher
genähert, welcher eine Uhr, und kein Goldschmied, welcher eine Kette auf
diesen Altar gelegt hätte. Eine unendliche Mühe und Kunstfertigkeit war
an diesem sinnreichen Tempel verschwendet und der geometrische Plan nicht
minder mühevoll als die saubere genaue Arbeit. Als das Denkmal eines
schön verlebten Jahrs sertig war, ermunterte Züs Bünzlin den gutcn Buch-
biuder, mit Bezwingung ihrer selbst, sich nun loszureißen und seinen Stab
weiter zu setzen, da ihm die Welt offen stehe und ihm, nachdem er in
ihrem Umgange, in ihrer Schule so sehr sein Herz veredelt habe, gewiß
noch das schönste Glück lachen wcrde, während sie ihn nie vergessen und sich
der Einsamkeit ergeben wolle. Er weinte wahrhaftige Tränen, als er sich
so schicken ließ und aus dem Städtlein zog. Sein Werk dagegen thronte
seitdem auf Züsis altväterischer Kommode, von einem meergrünen Gaze-
schleier bedeckt, dem Staub und allen unwürdigen Blicken entzogen. Sie
hielt es so heilig, das; sie es ungebraucht und neu erhielt und gar nichts
in die Behältnisse steckte, auch nannte sie den Urheber desselben in der
Erinncrung Emanuel, wührend er B>,it geheißen, und sagte jedermann, nur
Emanuel habe sie verstanden und ihr Wesen ersaßt. Nur ihm selber hatte
sie das selten zugestanden, sondern ihn in ihrem strengen Sinne kurz ge-
halten. und zur höhercn Anspornung ihm häufig gezeigt, daß er sie am
wenigsten verstehe, wenn er sich am meisten einbilde es zu tun. Dagegen
spielte er ihr auch einen Streich und legte in einen doppelten Boden, auf
dem innersten Grunde des Tempels, den allerschönsten Brief, von Tränen
benetzt, worin er eine unsägliche Betrübnis, Liebe, Verehrung und ewige
Treue aussprach, und in so hübschen und unbefangenen Worten, wie sie
nur das wahre Gefühl findet, welches sich in eine Vexiergasse verrannt hat.
So schöne Dinge hatte er gar nie ausgesprochen, weil sie ihn niemals zu
Worte kommen ließ. Da sie aber keine Ahnung hatte von dem verborgenen
Schatze, so geschah es hier, daß das Schicksal gerecht war und eine falsche
Schöne das nicht zu Gesicht bekam, was sie nicht zu sehen verdiente. Auch
war es ein Symbol, daß sie es war, welche das törichte, aber innige und
aufrichtig gemeinte Wesen des Buchbinders nicht verstanden.
782 Runstwart XVIII, ist