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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 12 (2. Märzheft 1905)
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Grunsky, Karl: Wie man Zauberflöte spielt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0869

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Heute aber will ich nrit Fleiß daran denken. Helfe ich dann, daß
es besser werde? Meine Hoffnung ist klein, nachdem ich erkannt habe,
wie wenig selbst bei Wagner der Geist der Aufführung sich dem Geist
des Werkes verbünden will. Die Leiter der Aufführungen denken:
Wagner braucht man nicht so genau zu nehmen, der zieht doch, und
die Wagnerianer klatschen. Möglich, daß jetzt die allmählichen Neu-
einstudierungen Wandel schasfen. Aber traurig ist es um die Aus-
sührungen der alten Meisterwerke bestellt; nur in München und Wien
hat man, so viel mir bekannt, sein Gewissen gerettet. Die alten Meister-
opern nämlich leiden unter dem Vorurteil, daß in ihnen alles auf
die Musik, nichts aus die Szene ankomme, weshalb denn Neuausstat-
tungeu hier einsach Prunkstücke ergeben, ohne liebende Gestaltung.

Als ich die Zauberslöte besuchte, meinten zwei Ofsiziere, die vor
mir gingen: „Auch noch den Text kaufen von dem Schund!" An
der Opernkasse, die Leharrlich nur den Text der Gesänge feilhält,
käuft auch kein Vernünstiger mehr seinen Text — bei Reclam sind ja
die vollständigen Bücher erschienen, dazu noch billiger als im Theater.
Wenn man sie nur ausmerksam läse! Dann müßte man von dem
Sinn und Zusammenhang, der auch in der Zauberflöte steckt, doch
etwas merken. Ursprünglich allerdings sollte sie nur eine tolle Zauber-
posse werden. Durch besondere Umstände, die man in Merians schönem
Werk über Mozart oder in Komorzynskis Abhandlung über Schikaneder
nachlesen mag, wurde aus der Posse ein Stück, dessen Jdee selbst Goethe
aufzunehmen und weiterzusühren nicht verschmähte. Die Zaüberflöte
ist Mozarts Parsisal. Sarastro, der weise Menschenfreund, bildet mit
seinen Priestern eine Art ägyptischer Gralgemeinde. Zwar scheint er
Anfangs ein böser Zauberer zu sein, der die Königin der Nacht ihrer
Tochter beraubt hat; allein noch im ersten Akt klärt sich die Lage;
Sarastro verfolgt die höchsten Ziele und wird Pamina mit Tamino
vereinigen: „Ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut, ist würdig
und wird eingeweiht." Die Umdichtung geschah während der musi-
kalischen Komposition; wenn der Anfang jetzt zur Folge nicht recht
stimmen will, so verwinden wir das leicht. Die dramatische Schlagkrast
hat gewiß dadurch gewonnen, daß Sarastro zuerst salsch beleumundet
wird. Die Jdee einer Gemeinschaft der Edlen, in welche nur aus-
genommen wird, wer besondere Prüsungen bestand, tritt genügend
deutlich hervor und hat der Tonkunst neue Möglichkeiten wundersamsten
Ausdrucks entlockt. Wer hätte geglaubt, die Musik sei überhaupt dem
Lehrhaften zugänglich? Man achte einmal, welche Menge didaktischen
Stoffs in der Zauberflöte von Mozart in musikalisches Gold umge-
münzt worden ist! Es dürfte tatsächlich nur sehr wenige Werke geben,
die so merkwürdige, bis dahin für unmöglich geltende Musik enthalten.
Die würdigste Parallele ist der dritte Akt des Parsifal, worin der
Geist milder Weisheit und höchster Versöhnung Tongestalt gewonnen
hat. Jn den Arien Sarastros, im Jsischor der Priester gehen mir,
ich gestehe es, immer die Augen über. Wie in den Szenen vor dem
Eharsreitagszauber, deren ties beseligende Wirkung ungesähr so be-
schrieben werden kann, daß man sich aus die Höhen gebettet glaubt,
wo Musik und Lebensphilosophie im gleichen Aether zusammenrinnen.

Viele berussmäßige Hörer der Zauberflöte werden dies für leere



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üunftwart XVIII, 12
 
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