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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1931)
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Frankreich in Indochina, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0077

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daß unter Hinweis auf zu fürchtende Abstinenzerscheinungen der Bevölkerung das
Opiurn aufgedrängt roird. Und natürlich denkk auch keiner dieser Autoren daran,
Frankreichs Besitzrechte an (gndochina roie an den andern ähnlich gestellten Kolonien
in Zweifel zu ziehen. Garros sagt z. B. von Nordafrika (das als Angreifer jP zu
Recht erobert rourde): „Es ist nur Gerechtigkeit, tvenn Frankreich diese Schöpfungen
seines Genies behält. Denn es hat dort mit seinem Gold und seinem (!) Blut Herde
der Übeltäterei in harmonische, gastfreundliche und fruchtbare Stätten verroandelt,
roelche der Aktivität aller Bölker osfen stehen (!). Das ist ein Posten, den Frankreich
bezieht, um den Austausch aller zivilisierten Nationen die freie und gastliche Straße
des lateinischen Nteeres zu sichern (!). Es bervahrt dieses ruhmvolle Borrecht durch
das legitime Recht der Priorität, in seiner Oualität als älteste der modernen See-
mächte, eine Mission, die damals keine besser hätte verroirklichen können. Diesem
Werk allgemeiner Sicherheit galt die stillschweigende Zustimmung der Welt. Heute
hat sich seine eigene Substanz aufgepfropft und eingeschmolzen in die Substanz der
Rassen, roelche sein Genie dort anzog, und aus dieser innigen und von jetzt an un-
scheidbaren Mischung hat sich mehr als eine Rasse: eine neue Zivilisation erhoben,
die sich selbst genugt und die nach Ergebnis und Moralität ein Kolonisationsroerk
übertrifft." — Monet wendet sich auch scharf gegen die Unabhängigkeit Zndochinas
und ist für strenge Berfolgung der Separatisten. Er entwirft folgendes Bild einer
Reform des Presserechts: „Die Schriftleitungen werden streng überwacht werden:
Keine Kritik gegen Frankreich (!), keine ungerechte und böswillige Berallgemeinerung
gegen die Franzosen wird geduldet werden: die strengsten Sanktionen, sehr schnell
gefolgt von der Unterdrückung der Zeitung, werden die, welche Baterlandsbeleidigung
begangen haben, erreichen." Man sieht, das sind keine Bolschewiken. Am hübsche-
sten tritt der typische Gegensaß vielleicht hervor bei Claude Farrere, welcher wie kein
anderer die grauenhafte moralisch-geistige Berwüstung durch die Kolonialfranzosen
in seinen Nomanen gebrandmarkt hat, und die Stirn besitzt, daraufhin folgendes zu
schreiben („Cne chano lills vovgger"): „Wir haben den Frieden gebracht, und
nicht den englischen, der auf Massaker aufgebaut ist. Der französische Frieden ist
in allen Kolonien auf Gerechtigkeit, Billigkeit, freier Zusammenarbeit zwischen Ein-
geborenen und Kolonisten aufgebaut. Wir beginnen nicht damit, alle zu töten,
sondern helfen ihnen, zu leben. Iedes englische Berfahren ist in Reichweite primi-
tiver Jntelligenzen. Unser wahrhaft befriedetes (^ndochina neiden uns die englischen
Tyrannen ... Liautey ist der größte Philanthrop der Gegenwart."

Es wird also kaum nötig sein, etwa um nicht ungerecht zu werden, die Flut der pan-
egyrischen Schriften heranzuziehen, die Selbstbeweihräucherungen abgesägter oder
strebsamer Politiker, welche auf jedes Bedürfnis, sie mit der Wirklichkeit zu verglei-
chen, verzichten und 3 priori aus dem Begriffe des edelmütigen Frankreich schlie-
ßen, zu dessen absoluter Vollkommenheit auch die Existenz gehören muß. Wer
kritisch liest, kann auch daraus lernen, in der Hauptsache allerdings französische
Psychologie. Für statistische Tatsachen beschränkt man sich daher besser auf die
entsprechenden Handbücher, auf die wir für alles Zahlenmäßige verweisen. Wir
begnügen uns hier mit der Feststellung, daß Jndochina ein reiches tropisches Land
mit etwa 20 Millionen Einwohnern zwischen Jndien, Siam und China ist, welches
von verschiedenen, aber sich in der Abwehr der Bedrückung immer mehr nähernden
Bölkern bewohnt ist.

Mit Ausnahme von einigen halbwilden Bergvölkern sind die Indochinesen von hoher
alter Kultur hauptsächlich chinesischer Prägung, jedoch mit einem indischen Einschlag,
was ihnen in aller Gebundenheit eine gewisse naturhafte Weiche und Flüssigkeit ver-
leiht. Obschon sie sich in ihrer Geschichte manchmal wohl zu wehren wußten, standen
sie doch vie! unter Fremdherrschaft, waren nie erobernd, und haben davon eine große
Sanftmut und Passivität des Charakters bewahrt. Besonders Werth ist es, der

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