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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1931)
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Gold- oder Indexwährung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0159

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konjunkturlosen WirtschasL. Die andere Gruppe der Währnngsresormer stellt soziale
Forderungen, etwa eine andere Verteilung des Sozialprodukts, in den Vordergrund.
Die derzeitigen Währungsfragen sallen in den erstgenannten Problemkreis. Wieder
taucht die alte Mee, die von Gesell begründet worden ist, anf, die sogenannte
„Freigeld-Theorie". Sie geht davon auö, daß die Nachfrage nach Waren auf dem
Umweg nber das Geld dem Kapitalisten und Spekulanten überlassen sei. Während
nämlich alle anderen Waren verderblich seien nnd daher auf den Markt hindrängen
müssen, hat das Gold allein den Vorteil, nnverderblich zu sein, es ist die einzige
danerbare Ware. Der Goldbesitzer hat daher über den Warenbesitzer das Überge-
wicht nnd kann deshalb eine Vergütung — den sogenannten „blrzins" — fordern.
So kommt Gesell dazu, das Gold zwingen zu wollen, Güter nachzufragen, so daß
eine Hortung des GoldeS unmöglich wird. Dieö will er dadurch erreichen, daß das
Freigeld zum „Schwund-Geld" wird, indem das Papiergeld wöchentlich ^/iooo sbi-
ner Zahlkraft verliert (wöchentliches Aufkleben von Marken mit ^/iooo deS Nennwer-
tes in Form von Klebegeld). So wird das Geld zum reinen Tauschmittel. Ieeben
einer Reihe von kritischen Bemerkungen zu diesem Vorschlag liegt der Haupteinwand
gegen die Freigeld-Theorie auf öer Hand. All das Gesagte gilt natürlich nur für das
Geld, das nicht dem direkten Konsum an Gütern dient. Es ist nun aber nicht mög-
lich, dieses Geld auS dem gesamten Geldkreis herauszunehmen, es unberücksichtigt zu
lassen oder die Betrachtung nur auf die Goldhorte zu beschränken; denn Geld ist nie
Selbstzweck, sondern immer nur eine Anweisung auf Güter. Wesentlicher erscheint
die Tatsache, daß durch das Klebegeld die Umlaufsgeschwindigkeit erhöht werden
kann. Erhöhung der Umlaufsgeschwindigkeit bedeutet aber Vergrößerung des Ge-
samtvolumens an Zahlungsmitteln und daher bei gleichbleibender Gütermenge Jn-
flation. Hier liegt der große Jrrtum Gesells, denn durch Erhöhung der Umlaufs-
geschwindigkeit tritt nicht, wie Gesell meint, eine Erhöhung der Gütermenge ein, selbst
wenn auch das Warenumschlagstempo erhöht werden sollte. Eine Vergrößerung der
Gütermenge kann nur durch erhöhte Produktion erfolgen. Spukt also diese Idee nur
in phantastischen Köpfen und wird sie versuchsweise im isolierten kleinen Rahmen für
kurzeZeit auch möglich sein,sohält sie einer ernsteren Nachprüfung nichtstand und würde,
abgesehen von schwierigen technischen Fragen, zu einer ungeheuerlichen Jnflation führen.
Ernsthafter sind die Vorschläge von I. Fisher und I. M. Keynes zu werten.
Sie gehen davon aus, daß es gefährlich ist, Gold als Wertmaßstab zu wählen, denn
so wie es absurd erscheint, ein Gummiband als Längenmaß zu wählen, ebenso
unzweckmäßig ist es, Gold, das als Ware Wertschwankungen unterworfen ist,
als Grundlage für die Messung aller Güter zu wählen. Daher muß der Wertmaßstab
nicht mit einer Ware — mit Gold —, sondern mit allen Waren in Verbindung
gesetzt werden. So kommen sie solgerichtig zu einer Warenwährung, oder, da
ja nicht alle Waren tatsächlich erfaßbar sind, man greift eine typische Gruppe
von Waren — Standard-Waren-Kombination — heraus, ermittelt mit Hilfe kom-
plizierter Methoden einen Wareninder und gelangt somit zu der (ynderwährung.
Fisher will daS Ziel dadurch erreichen, daß die umlaufenden Geldzeichen nicht in Ge-
wichtsmengen Goldes, sondern in der der Binnenkaufkraft der Geldeinheit entspre-
chenden Einheit eingelöst werden. Also nicht eine feste Menge Goldes mit Berände-
rung der Kaufkraft, sondern eine veränderliche Menge Goldes und feststehende Kauf-
kraft — der stabile Dollar! —- Keynes sieht als oberstes Ziel der Währungspolitik
die Stabilität der inneren Kaufkraft und damit eine Konstanthaltung des
Jndex. So soll das Gold im sgnnern des Landes völlig demonetisiert werden und nur
zum internationalen Zahlungsbilanzausgleich als Reserve der Notenbank dienen. Aber
auch dies gilt nur so lange, als andere Länder an der Goldwährung festhalten. Da-
mit wäre dann Gold ausschließlich zur Ware geworden und eine bedeutende Ent-
wertung des Goldes müßte die Folge sein.

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