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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 2 (Novemberheft 1931)
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Bauern nnd KolonisLen und den PlanLa-
gen sremder Länder anverLrauk. Man
kann anch sagen, es hat sich ganz und
allein der Kohle, dem Elsen, dem Dampf
verschrieben. Man verzichLeLe auf den
Segen der englifchen Erde. Es Lvar da-
mals, alö häLLe GoLL selbft ihm diese Ga-
ben zur rechLen ZeiL geschenkL, ihm da-
miL die welLLvirtschaftliche und die welt-
politische ErftgeburL verliehen. Diese
Grundlagen schienen fnr ewig gelegt. Es
gab keine KonkurrenLen, weder nnter den
Bölkern noch in den NaLurgeseHen. Die
WelL wurde rapid englisch, so daß diese
an sich kleine NaLion ganz von selber
uber sich hinauswuchs und das „Jnterna-
Lionale" mit dem Englischen aufs nutz-
lichfte verbinden konnte. Man war WelL-
lieferant, WelLbankier, WelLmakler und
Weltmeerbeherrfcher in einer Person.
Aber mählich kamen und kommen Kon-
kurrenten: Deutfchland Laucht fchließlich
auf und wird vernichtet. Aber das kofteL
England nichts weniger als die Hegemo-
nie. Die Vereinigten StaaLen zwingen
England, die Flagge der AlleinhsrrfchafL
auf jedem Geviet zu ftreichen. blnd als
letzter und neuefter Gegner wächft Frank-
reich heran. Man haLLe in London Augen-
maß und inneren Znftinkt verloren, als
man den Weltkrieg zu diesem Lollen Ende
brachte. Man machte eigenhändig den
Schlußpunkt unter ein JahrhunderL. Da-
zu kommt die EnLLhronung der Kohle
durch Dl und Wasserkraft. Die Dampf-
maschine wird durch den Dl- und ElekLro-
motor verdrängt oder mit Öl geheizt. An-
dere Grundinduftrien: Schiffsbau, Eisen-
und Stahlerzeugung, Textilinduftrie, einft
englische Monopole, verbreiten sich über
die ganze Erde. England ift nicht mehr
allein auf der Welt. Aber, und das ift
sein blngluck, es hat die höchften Ge-
ftehungskoften, weil es dsn höchften Le-
bensftandard der Massen hat. Man fta-
bilisierte das Pfund aus Preftigegründen
au psir mit dem Golddollar, Lrotzdem
man die höchfte Schuldenlaft der WelL
Lrug. DamiL aber machte man sich kon-
kurrenzunfähig und zog eine chronische Ar-
beitslosigkeit groß. Die WirLschafL und
ihr Apparat waren zu ftarr, vielleicht
auch zu bequem geworden, um sich anzu-
passen. Denn wir haben hier einen jener
gigantischen Anpassungsprozesse vor uns,
die bisweilen über die WelL kommen und
die Spann- und Erneuerungskraft der
Organismen auf eine tödliche Probe ftel-

len. Man sagt, der englifche Produk-
tionsapparat sei veraltet, zersplittert, und
man hat recht: Englands WirLschafL
wurde unter dem Stern des wirtschaftli-
chen Liberalismus und Jndividualismus
aufgebaut. Die WelL aber fing an, na-
Lionaliftifch und kollekLiviftifch zu produ-
zieren, zu verteilen und — zu konsumie-
ren! Amerika — gleichfalls für höchften
Lebensftandard — retlete sich in Massen-
produktion und BinnenmarkL, Asien griff
mit der Waffe der BilligkeiL an. Dazwi-
schen ftand und fteht England zu stolz,
um zu fechten, zu hochmütig, um sich ein-
zuschränken, zu bequem, um zu rationali-
sieren. Mögen sich die andern anpassen!
So wurde nicht nur die Handelsbilanz
immer passiver, sondern igZo/Zi folgte
ihr auch noch die Zahlungsbilanz. Als
dann die Weltkrise die englischen Milliar-
den in den PlanLagen, StaatSanleihen,
Eisenbahnen, Beteiligungen aller ArL in
der WelL dividendenloS, die AkLien wert-
ios, die Schuldner zahlungSunfähig wer-
den ließ, mußte das Ende kommen. Denu
man haLLe fchon seit Jahren vom Erbe,
vom KapiLal gelebt und nicht so viel er-
arbeitet, daß man davon leben konnte.
Zm Znnern herrfchte rücksichtslos die
KonsumLheorie. Die NeuverLeilung des
nationalen NeichLums durch riesige
Staats- und Sozialausgaben hatte zwar
eine ungeheure Kaufkraft entfaltet, aber
das englische KapiLal in Rauch aufgehen
lassen. Man legte das Geld in neuen
Konsuminduftrien an, die nicht viel er-
portierten, und haLLe kein Geld mehr
übrig, die WelL zu finanzieren. ÜberdieS
flüchtete das KapiLal vor dem unerhorten
SLeuerdruck an die eöto cl'a?.ur. Man
hat drüben nicht bemerkt, daß ein Zahr-
hundert zu Ende ging und daß geographi-
sche, volksbiologische, wirtschaftliche Ur-
gesetze der Natur ihre Nache nehmen.

3-

GleichzeiLig entglitten die politifchen
Grundlagen. Zm sgnnern ging die ari-
ftokratische Periode zu Ende. Der natür-
liche AssimilaLionsprozeß, der der herr-
schenden Schicht immer wieder frisches
BluL zuführte, wurde durch die radikale
DemokraLi'sierung niedergerannt. Aus
dem Krieg kamen die Massen mit Ansprü-
chen zurück. 1916—1926 erft vollzoa sich
der volle Einbruch der Wählermassen in
den StaaL und die WirLschafL. blnd diese
Massen waren an das welLwirtschaftliche
 
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