Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
DOI Artikel:
Homberger, Otto: Gedanken
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der deutsche milgZ Aloriosu8 ist nicht der Soldat, der die Feldzüge mitgemacht
hat, sondern der Professor, der sie bespricht.

Jch getoahre deutlich, daß die Ausländer, die Carlyle, die Taine, welche die derw
schen Anschauungen und Denkweisen sich anzueignen gesucht haben, daraus etwas
anderes machen. Die deutsche Jdee wird in ihnen zu real, zu massiv, zu greifbar,
zu praktisch, erhält zu bestimmte klmrisse oder eine zu direkte Anwendung. Sie
verstehen nicht, daß die deutsche Gedankenwelt derselben Art Geist ihre Entstehung
verdankt wie die deutsche Musik, daß man sich in sie hineinträumen muß, nicht aber
daraus einen moralischen oder intellektuellen KatechismuS machen darf.

Erklärt sich nicht auch der Charakter der klassischen deutschen Literatur zum guten
Teil daraus, daß die großen Schriftsteller keine Rücksicht auf die politischen und ge-
sellschastlichen Notwendigkeiten nahmen? Aller JdealismuS erwächst aus einer Nicht-
achtung der äurki N6668sit38. Und gerade weil er so absolut unpraktisch versährt, ist er
praktisch wirksamer, als wenn er mit den Tatsachen kluge Kompromisse schlösse.

Jch: Um ein so großer Staatsmann zu sein wie Bismarck, muß man kein Gewissen
haben und sich für gewissenhaft halten. Reggi: Er hat das Gewissen seiner gro-
ßen Sache.

Wie schön, wie wahr und mit welch überzeugender Einfachheit hat, dritthalb Säcula
vor Hegel und Moltke, der tapfere, gute und weise Cervantes, der zugleich Denker
und Kriegsmann war, dem Kriege das Lob nachgesagt, daS ihm in Wahrheit nach-
gesagt werden darf —- nämlich, daß eb dem Frieden dient! (Don Duijote Kap. Z7).
Und wie fein und richtig, daß diefer Preis des Krieges als des Dieners des Friedens
in den Mund Don Ouijotes gelegt ist — dessen eigne Kriegstaten zeigen, wie
schwierig es ist, durch die Gewalt der Waffen dem Frieden, dem Rechte, der Ge-
rechtigkeit zu dienen.

Daß im (gahrhundert der „historischen Schule" der so unhistorische Sozialismus
zu folcher Gewalt gelangt und daß die „historischen" Nationalökonomen ihm zu
Quartiermachern dienen müssen! welch gelungene Jronie der angeblich durch die Hi-
storie aus der Welt geschafften aprioristischen Jdee!

Die Griechen, Dante, Shakespeare, Cervantes. Hinlänglich reiches nationales Le-
ben, um sich gegen fremde Kultur abschließen zu dürfen.

Kriegserklärungen werden mit Tinte, FriedenSschlüsfe mit Blut geschrieben.

Jeder Mensch ist sich selbst etwas Problematisches. Natürlich! da die Natur sich
in jedem em neues Problem setzt.

Wie naiv, naiv sein zu wollen!

Wie die Farben, so sind auch die Worte nur Schein. Nur muß man nicht meinen,
der Schein sei nichts.

Je freier man wird, desto mehr fühlt man seine Ketten.

Meinungen gehören dem Bereich der Tatsachen an, nicht dem des Geisteslebens.
Auch die Solidität kann den Menschen zugrunde richten.

Wenn einer auf seine Weise einen andern beglücken will, so bildet er sich auch noch
ein, er sei kein Egoist.

Die schlimmste Art der Ruhmredigkeit ist die, welche es unter ihrer Würde hält,
den Mund aufzutun.

149
 
Annotationen