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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
DOI Artikel:
Brock, Erich: Hegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0218

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gegen ihu gesagk ist, da auf dem Felde der Weltbesinnung die FrnchtbarkeiL
gerade auch im mittleren Bezirke bedeuLend isi. N!ur muß er bei dem DeuLschen
leichL (und zuweilen miL Necht) in den Geruch der Heuchelei geraten, da sich
dieser nicht vorstellen kann, daß ein Denker mit großer GuLgläubigkeiL alles nach
Gut und Böse, Wirklich und Ilnwirklich schrofs und sauber austeilt und sich
darnach mit erheblicher NkaiviLäL in dem Ganzen des Lebens bewegt, als häLLe
er es nicht zuvor enLzweigeschniLLen. EntsprichL dieses BerhalLen immerhin
demjenigen, welches das Leben gemeinhin verlangL und welchem es osL genug
sreigebig seine Schätze ausschließL, so bleiben doch andererseits Formungen
leHLer Größe und Ilmsassung der anderen SeiLe vorbehalten. GesamLgesLaltun-
gen wie etwa eines EckeharL, Leibniz, Bach, Hegel sind nur dadurch möglich,
daß der GeisL immer gleichen SchriLLes nach beiden SeiLen fortdringt, daß das
LlllgemeinsLe das KonkreLesLe miL sich sührL und isL, das Eine das Väele, das
Gedankliche das Sinnliche und so in allem. Hegel besonders isL auf gedankli-
chem GebieLe der VertreLer einer SysLemaLik, welche in der Zeit eines seichten
LebendigkeiLsideals in Verrus kommen konnte, in Wahrheit aber gerade in
ihrer WeiLe und OffenheiL gegenüber dem sortschreitenden Leben dieses ersi zu
sLüHen und zu schüHen, ja zu erzeugen und von ihm erzeugL zu werden vermag.
So isL denn auch Hegels Stil ein solcher, der gleich weiL entsernL isL von Lrocke-
ner LehrhasLigkeiL wie von glihernder GeisLreichelei. Seine langen und reichen
SäHe haben meisLens nichts Plumpes, auch wo sie osL mühselig entwerfend
den GegensLand allmählich einkreisen. Sie geben den Eindruck von in langen
Zügen ruhig heranrollenden Meereswogen, deren majesLätische Brechung den
jähen AnsLieg und WidersLand des Bodens unker ihnen anzeigL. Sein Stil
isL ein deutscher Stil, miL allen Schwächen eines solchen, aber auch mit der
rücksichtslosen HingegebenheiL ans Unbedingte, die allein das Mannigsaltige
wirklich zu sormen vermag. Es bedurste für den AbsLurz nach Hegels Tode
einer seichten Thersites-NdaLur wie Schopenhauers, um jenem das Gegenbild
eines „guten" Stiles entgegenzuhalten!

Der DoppelschriLL aufs Ganze hin enLsprichL der religiösen Idee, welche besagt,
daß durch die rückhalLlose Einsenkung in die EinheiL die VielheiL nicht ausge-
löschL wird, sondern eigenLlich ersL ausblühL. Ilnd wie Hegels denkerische Grund-
absichL weiLgehend, vielleichL absoluL, eine religiöse isL, so isL auch die DialekLik
bei deu religiösen Denkern, besonders mysLischen Gepräges, immer zu Hause
gewesen, so in DeuLschland zumal bei Seuse, Ndikolaus von Kues, SebasLian
Franck, Weigel, Böhme, Angelus Silesius. Hegel isL es, der diese aus dem
MiLLelpuukL deutschen Denkens hervorbrechenden Ahnungen mit dem hochge-
syannten Ich-Apriorismus der deutschen klassischen Philosophie zur Reife
brachte, alle Strömungen der EnLwicklung zum vollendeten und abschließenden
Gedankenbau einer WelLzeiL zusammenfaßte, die man die NruzeiL neunen mag,
die ZeiL des „freien GeisLes" — so wie vor ihm ArisLoLeles es sür das AlLer-
Lnm, Thomas von Aquin für das MiLLelalLer geLan haLLe.

Gehören wir noch zur „NeuzeiL"? Oder kündigL sich in dem hestigen Zurück-
sLveben her GegenwarL hinLer die NruzeiL eine neue DialekLik an, Zusammen-
sügung von Mittelalter und NkeuzeiL zu etwas N!euem? Iedeufalls isL die
ZeiL in großer Gefahr, diese MöglichkeiL, salls sie besLeht, zu versehlen, indem
sie sich in die Wiederherbeizwingung der vorneuzeitlichen SiLuaLion bis zu deren

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