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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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Brock, Erich: Hegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0222

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des Glaubens emströmen, um dr'e denkerische Zerlegnng, Bestimmung und Ver-
sicherung zu ermöglichen. Höheres Bewußtsein ist an tiesere Naivität geknügft.
Wenngleich diese letztere Feststellung, ersetzt man „Rkaivität" durch „Konkret-
heit", Hegels Meirmng durchaus entspricht, wenngleich der Gedanke, Dialek-
tik sei durch die doppelte Grenze, die dopgelte Dynamik des Darüberhinaus-
strebens bedingt, allein überhaupt das System ermöglicht —, wenngleich
sich genug Stellen aus den Werken ansühren lassen dasür, daß Hegel dies
dnrchans gesehen hat — so läßt sich schließlich doch nicht leugnen, daß gemein-
hin diese Zusammenhänge bei ihm nicht genügend betont werden nnd die Dia-
lektik dann leicht in den Geruch der Berabrednng und der bloß schematischen,
d. h. undialektischen „Nvtwendigkeit" geraten kann. Das liegt an zwei Um-
ßänden. Wenn der Grenzcharakter des Neins, die relative oder gar absolnte
Ilnauslöslichkeit des Zrrationalen, wie man heute sagen würde, nicht genug
herausgestellt wird, so kommt es gerade daher, daß Hegel das Nein ganz und
surchtbar ernst nimmt. So ernst, daß er alle Krast aus der Seite des Ia mit
hineinwerfen muß, um seiner nur Herr zu werden. Wenn er die Vernunft
ohne weiteres absolut setzt, so ist das eben nicht „ohne weiteres" gemeint, son-
dern als letzte Überwölbrmg. Hier muß man sest bleiben und sozusagen dem
Gegner nicht sagen, daß man das Äußerste hergeben muß sür ihn. Wer mit
dem Irrationalen liebäugelt wie die Romantik, nimmt es doch nicht mehr
ganz ernß. Hegel hatte kein romantisches Naturgesühl; Natur ist ihm stellen-
werse vom Geiste her ein Schimyfwort im Sinne mittelalterlicher Mystiker.
Aber es gibt Stellen in seinem Werke, die von einem grauenhasten Tiesblick
in das ITein erzählen, von einem Kampse mit ihm, der kaum noch über seinen
eigenen Heroismus hinaus sür länger Sieg bringen kann. Die 2lugen Hegels
aus seinen letzten Bildern sagen genug, sie schauen nngebrochen, aber mit tieser
Mmdigkeit wie von einem VorZebirge aus gegen eine nie zu bändigende Ewig-
keit ins Weite; ähnlich wie etwa Beethovens letzte Musik. Es ist darin eine
heldenhaste, schlaslose Überanstrengung des dennoch nicht zu lassenden Formens.
Wenn andererseits Hegel stellenweise das Ia, das Absolute in seiner Tran-
szendenz nicht ernst genug zu nehmen scheint, so beruht das wiedernm daraus,
daß er es vielmehr allzn ernst nimmt. Er sieht die Welt, er sühlt, daß be-
jahtwerdenmuß, und daher gibt es für ihn nur die Ansgabe, die Schöy-
snng, also das Heransgehen Gottes ans sich selbst yhilosoyhisch zu rechtsertigen.
Hegel ist der größte Abendländer, wenn es dem Abendland zugehört, die Welt
zu bejahen und nicht, wie das Morgenland, zu verneinen und in das Dunkel
der Gottheit zurückzustreben. Keiner hat die Welt bejaht wie Hegel, aus einem
Haß gegen bloße Romantik, der ein Haß gegen sich selbst und die eigene Ver-
gangenheit war, aber ein größerer und sruchtbarerer Haß als der Goethes. Für
Hegel ist alles, was nicht geäußert, entwickelt, verwirklicht ist, nichts. Bloße
Sehnsncht ist ihm Heuchelei. Mit eisiger Verachtung kann er von bloßer
Idee reden, er, der Ideengläubigste. So ist es nun, daß das Äußere dem
Inneren genügt, es vollkommen abbildet; die Erkenntnis dringt in alle Tiesen,
die wirkliche Tiese ist genau in der Breite gesyiegelt. So ist es auch, wie
Eckehart von Gott gelehrt hatte, daß er sich in der Erkenntnis durchaus er-
schöpse. So ist es, daß Gott die Welt bejahen und brauchen darf, da er
sie selbst aus dem Nichts geschassen hat, um wirklich zu sein. Älso gibt es
 
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