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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 5 (Februarheft 1932)
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André, Hans: Stilgesetze pflanzlicher Formgestaltung im Lichte Goethescher Naturanschauung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0342

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NechL gebraucht, ist dies der Faden, woran wir uns durch das LabyrinLh der
lebendigen Gesialten durchhelsen... Die enLschiedene GesLalL isL
gleichsam der innere Kern, welche durch die DeLermination
des änßeren ElemenLes sich verschieden bilde L." Je mehr nun
der Morphologe durch die volle Anschauung sich leiLen läßt, desLo reiner er-
saßt er das Thema des GesLaltwandels und bewahrt seine Ableitungen vor
v o r urteilsbesLimmLen KonsLrukLionen und künsLlichen Verknüpsungen. Er
lernt, echte llrsprungsformen mit der Möglichkeit zu weiterem GesLaltwandcl
von in Sackgassen angelangten Nnchahmnngen derselben in einem niederen
Formenkreis richtig zu unterscheiden. Bei den KrebsLieren hat Beurlen neuer-
dings durch sehr eingehende vergleichende IlnLersnchungen gezeigt, daß die
„enkschiedene Geßalt" eines neuen Typus immer relativ syrunghast her-
ausgesLellL wird, während seine weiteren Anyassungssormen an das äußere
ElemenL fließend nnd unter dem moryhologischen (gesLaltlichen) PrimaL des
Typus sich bilden. Das isL echt goethesche Qrdnungsschau der Formen-
reihen. Der Primat des Typischen (der „entschiedenen Gestalt" GoeLhes)
über die verschiedensLen maLeriellen Zellgrundlagen läßt sich auch im Experi-
ment aufzeigen. Spemann gelang es, eine Zellinsel, die er einem Keim ent-
nahm, in dem sie ihrer Lage entsprechend Epidermis gebildet häLLe, auf
einen anderen Keim in dessen Gehirngegend zu überLragen. Dabei ging der
Pfropf, obwohl die daraus gebildeten Zellen ihre eigenen Mendeleigenschaf-
Len zeigLen, in die Lypische GehirngestalL des WirLes über.

GoeLhe sah auch das Typische in den natürlichen Prozeßformen; er unter-
schied klar ihre ganz verschiedene EnLfalLungsrichtung. Es ist nach ihm nn-
möglich, von den Prozeßformen der mineralischen KrisLallisaLion zu der leben-
digen Formbildung wie zu einer rein gradnellen Steigerung forLzuschreiten.
„Der HaupLbegriff", sagt er, „welcher, wie mich dünkt, bei jeder Betrachtung
eines lebendigen Wesens zngrunde liegen muß, iß, daß... nichLs Mechanisches
gleichsam von außen gebauet und hervorgebracht werde... Diejenigen Körper,
welche wir organisch nennen, haben die EigenschafL, an sich oder aus sich
ihresgleichen h e r v o r z u b r i n g e n." Die Lebensbewegung ist also eine
an ihr selbst in sich zurückkehrende und nicht durch ein Fremdes in sich zurück-
gelenkte Tätigkeit. Es vermag deshalb das lebende Teilchen seinesgleichen
wieder hervorzubringen, und organisches Wachstum im ursprünglichsten Sinne
ist im GegensaH znm KrisLallwachsLum eine echte Hinzuzengnng (2lg-
generation). Besonders rein zeigt sich dieses Urphänomen des WachsLums
bei dem mitnnter beobachtbaren rhythmischen WachsLum der Zellkerne,
die durch zengerische Berdoppelung ihrer kleinsten Teilchen (der Heidenhain-
schen ProLomeren) ihr Bolumen verdoppeln, vervierfachen nnd verachtfachen
können. Durch bloße Qnellung oder dem KrisLallwachsLum analoge Erschei-
nungen ist solche rhythmische Bolumenverdoppelung nicht zu erklären. Hier
liegt eben im GoeLheschen Sinne ein neues llrphänomen, eine Lypisch
neue Prozeßform vor, welcher der viLale Kreisprozeß zugrunde liegt.

In Anlehnnng an die „Zeugung" zeigt der pflanzliche Qrganismus dann
auch das Lypische Phänomen der „Zweigung". Das llrphänomen der
sich wiederholenden TeilungsfunkLionen kommt hier auf höherer Ebene in den
SpalLungsgeseHen der BlätLer zum Llusdruck, die sich auf die gabelige (dicho-

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