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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 5 (Februarheft 1932)
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Luserke, Martin: Der Dampfer, der aufs Land heraufkam
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0350

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ganzen Bild war das seltsamste Durcheinander von HinLerhof einer Fabrik
und von Spuren seetechnischer Ausrüstung. Wenn abends die Arbeiter weg-
gegangen waren und nur noch das Licht des Schifssliegers hoch oben aus den
Fensterchen der Kagitänskajüte schimmerte, lag das Wrack so fremdartig und
verlassen hier draußen vor dem Rand des großen Festlandes, wie vielleicht
einmal ein irdisches Ranmschifs verloren aus dem Mond liegen wird. Man
verstand, daß sich die Erinnerung an einen nnausgeklärten Unglücksfall in
dieser Eisenruine bei den alten Leuten hinterm Deich hartnäckig als eine Ge-
schichte von Mord und Verhängnis erhielt, das mit dem ansländischen Schifs
verbunden war.

Der Dampfer stammte noch aus der Zeit her, in der jedes Schifs bis ins
Einzelne seiner Llusrüstung hinein wie ein Hans ganz sür sich überlegt und
ausgebaut wnrde. Wo ein Gußteil eine schöne Fläche bot, prangte gewiß der
Rkamen des Schifses: Moloch von Lüth. Zur Zeit seines Baues waren die
Dampser wohl noch sremdartige Glut- und Rauchungeheuer zwischen den
Segelschisten gewesen. Der Ukame stand auch ringsherum aus dem breiten
Eisenrinq, der auf dem obersten Deck einmal den Schornstein qehalten hatte:
Moloch von Lüth.

Der eiserne Schlot mußte unverhältnismäßig dick gewesen sein; ein häßlicher,
qualmender Turm auf einem Kahn. Das Schiff mußte mit seinem Umriß
schon bei Lebzeiten im lehten Jahrzehnt verwachsen nnd etwas verdächtig ge-
wirkt haben. Sein merkwürdiges Schicksal bei der Strandung schien dann
nnr zu bestätigen, daß mit nngebräuchlichen Formen auch eine unzuverlässige
Seele auf die Dinge übergeht und daß Vorfälle geschehen, über die sich der
Mensch dann kaum zu wundern braucht.

Der Moloch von Lüth war bei schwerstem Weststurm wegen eines Ma-
schinenschadens von seiner Route weit abgekommen und beim Versuch, sich in
diesen fremden Hasen zu retten, weit draußen vor den Molen gestrandet. Die
Bemannung war am Spätnachmittag bei Ukiedrigwasser gerettet worden. Da
ging das Schiff unerwarteterweise plötzlich noch einmal ganz von selber los.
Man konnte damals gegen den Abendhimmel sehen, wie es mit unheimlichem
Geschick zuerst zwischen den Sandbänken nach Nvrden zu manövrieren begann.
Aber dann kam es plötzlich auf die Dünenküste los, als wolle es an Land
klettern. Mit der überaus hohen Flut, die in dieser Nacht bis an die Dünen
brandete, schob sich das schwere Unding ruckweise höher nnd höher aufs Ilfer,
bis man von den Häusern hinterm Deich, aus dem Teertonnen brannten, die
Masten mit winkenden Ladebäumen und den dicken Schlot gespenstig lebendig
emportauchen sah und das Stampfen nnd Klirren der Eisenmassen dnrch
alles Geköse des Sturmes dumps im Boden zu spüren glaubte. cklm Mitter-
nacht setzte die Ebbe ein. Aber am andern Morgen schauten die Masten und
der dicke Schlot unbeweglich über die Dünen.

Ein halbes Iahr später, als man schon angesangen hatte, das seltsame und
häßliche Wrack abzubrechen, ereignete sich in ihm der Unglückssall. Jn einem
der Hänser hinter den Dünen wohnte der Herr Kenny, ein reicher Ansländer,
der sich seit zehn Iahren schon als einsamer Sonderling dort aufhielt. Man
sragt am Außenrande des großen Festlandes nicht allzuviel nach dem einzelnen
Menschen, wenn er sich offenkundig absondern will und seine Abgaben an die

ZOO
 
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