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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1932)
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Wege aus der Krisis
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0374

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schafttheoretisch dessen Forderungen. Jn kluger, klarer Sprache und mit dem
nött'gen theoretischen Nüstzeug geht Friedländer an die Probleme heran. Ausgehenö
von der Erkenntnis, daß die jetzige Arbeitslosigkeit keine konjunkturelle, sondern eine
strukturelle ist, zieht er darauö restlos die Konsequenzen. So kommt er dazu, eine
großzügige Planung durch den Staat zu sordern, die er beschränkt wissen will aus die
wirtschaftlichen Belange der Volkswirtschaft. Die Herstellung von „Benzinmotoren und
Briefpapier" soll der privaten Jnitiative überlassen bleiben. Nur dort, wo „lebens-
wichtige Jnteressen der Gesamtwirtschaft berührt werden, wo Vergeudung des volks-
wirtschastlichen Kapitals droht, da hat ein Generalstab der Volkswirtschast hemmend
oder fördernd, regulierend oder sichernd seine Machtmittel einzusetzen."

Die weitere Forderung ist die der Autarkie, die hinsichtlich der Landwirtschaft bis
zur völligen Bedarfsdeckung gesteigert werden muß, wobei die bauernhaste Boden-
wirtschast und das Auferstehen der alten deutschen Dorskultur als Ziel erscheint.
Hinsichtlich der Währung ist Friedländer für die Abkehr von der Goldwährung, und
er tritt ein für die Ausweitung des KreditS durch zusätzliche Geld- und Kreditmittel;
dabei weist er weit die Möglichkeit einer inflationistischen Wirkung dieser Maß-
nahmen zurück. „Leben ist wichtiger als Währung." Wir haben bereits in srüheren
Artikeln zu der Währungssrage und zum Problem der Planwirtschaft und Wivt-
schaftsplanung Stellung genommen. Wir wollen hier nur noch unsere Aussassung
Hinsichtlich der Autarkie-Bestrebung klarlegen. Wir vermissen trotz einiger Ansätze
eine Auseinandersetzung mit der Frage als solcher. WaS wir hören, und
was wir ja leider schon lange zu sühlen bekommen, ist', daß ttns die
anderen Staaten in eine Autarkie hineindrängen, da sie selbst für
sich auch keinen anderen Ausweg mehr sehen. Aber dieses Abgedrängtwerden ist
kein Ziel, das wir erreichen wollen, sondern es verlangt von uns Notab-
wehr-Maßnahmen des Wirtschaftskrieges. Wir müssen uns eventuell ganz
gegen unseren Willen mit der Tatsache der wirtschaftlichen Jsolierung abfinden.
Das hat aber nichts mit einer wirtschastlichen Erkenntnis zu tun, sondern es ist die
Politik der Staaten, die unS das Gesetz des Handelns vorschreibt. Wirtschaftlich ent-
scheidend bleibt, zu untersuchen, mit welchen volkswirtschastlichen Kosten diese
Autarkie erkauft werden muß. Man stelle nicht immer die Autarkie als die Jdeal-
lösung hin und verspreche sich und anderen dadurch einen Ausweg aus der Krisis!
Man sage vielmehr k!ar und nüchtern, daß wir entgegen jeder wirtschaftlichen Ver-
nunft, diktiert durch Haß und Hilflosigkeit der Politik, diesen Weg gehen müssen!
Man hüte sich davor, die Menschen nochmals zu täuschen und ihnen ein herrliches
Leben aus dem Lande vorzumalen!

Es ist gewagt, die in uns schlummernde romantische Sehnsucht nach dem Landleben
(beileibe nicht nach der harten Bauernarbeit) zu nähren. „Jch habe mir ein Ostev-
lämmlein gekauft, will es hegen und pflegen, und übers Jahr soll es mir seine
schöne Wolle geben — ich weiß noch ein altes Spinnrad im Dorf und einen alten
Webstuhl. .. ." (fehlt noch ein blaues Bändchen mit einem Glöcklein und Schäser-
wölkchen am Himmel). So geht es nicht. Schluß mit dieser Wirtschaftsbelletristik!
Autarkie heißt primitivsteS Leben, Autarkie bedeutet Verzicht auf die
von breiten Massen gewohnten Genüsse! Damit soll keinerlei Werturteil gefällt
werden über Zusammenhänge zwischen diesen materiellen Lebensbedürsnissen und
einer Lebenskultur. Autarkie bedeutet aber noch viel weniger, daß öurch
Siedlungen nun ein Bauerngeschlecht entsieht, daß die alte deutsche Bauernkultur
wieder auslebt. Jndustriearbeiter lassen sich günstigstenfalls zu tüchtigen Siedlern
„umschulen". Trotzdem werden wir vielleicht den Weg der Autarkie gehen müssen,
aber wir wollen ihn dann nicht gehen mit vagen Illusionen und nie zu erfüllenden
Hossnungen, sondern in voller Bewußtheit der Härte der Arbeit, der Schwere des
Weges. Und, ihr Jntellektuellen und Literaten, gebt das, was ihr so schön schreiben

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