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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1932)
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Böhm, Hans: Schriften von und über Goethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0448

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-— schade, daß es in einem übersteigerten Pathos geschi'eht, das dem betrofsenen Dich-
ter mindestens nicht kongenial erscheint.

Goethes eigene Sprache ist noch wenig untersncht worden (Boucke, Pniower, Roethe);
einen Goethe-Wortschatz hat uns der hingebende Fleiß eines Einzelnen be-
schert, des Stettiner Schulmanns Paul Fischer (Rohmkopf): auf 900 zweispal-
tigen Seiten in Lexikonformat ein Verzeichnis der von Goethe verwendeten Wörter,
unter Anführung der Stelle, Zurückleitung auf früheren Lautstand und sorgfältiger
Begriffsentwicklllng. Es tut dem Werte des Werkes wenig Abbruch, wenn es sich
als nicht vollständig erweist; auch so bleibt es ein wahrer Schatz für jeden Freund
der Sprache und des DichterS.

Goethes Humor, den vor 20 Jahren zuerst Avenarius'„Fröhliches Buch" herausge-
stellt hat, sammelt Borcherdt (Bong) in einem hübschen Band; aus Poesie und Prosa,
Briefen, Gesprächen wird wohl alles hierher Gehörige zusammengetragen; befremdend
wirkt die Aufnahme des „Tagebuchs", einer, nach Goethes eigenem Urteil, „pathologi-
schen" Produktion, die zudem in einem Hausbuch wie diesem fehl am Ort scheint.

Eine reizvolle Publikation ist dem Verleiger Goethes und Schillers, dem Berliner
Drucker Unger gewidmet. Der Briefwechsel, den dieser Reformator der deutschen
Lettern und rührige Verleger mit den beiden Dichtern geführt hat, wird zum ersten
Male mitgeteilt, zahlreiche Druckproben vermitteln eine Anschauung vom Aussehen
und Stande der damaligen Buchproduktion; Erläuterungen runden das fesselnde
Bild einer wenig bekannten Seite des damaligen Kulturlebens ab. (Flodoard Frei-
herr von Biedermann, Johann Friedrich Unger im Verkehr mit Goethe und
Schiller; Schriftgießerei H. Berthold, Berl.) Zum Schluß zwei Neuerscheinungen,
die Goethes Eltern gelten. Zum 200. Geburtstag der Mu tter hat Alfons Paquet
im Auftrag der Stadt Frankfurt „Frau Rath Goethe und ihre Welt" beschrieben
(Englert L Schlosser); die „Farbenskizze" ist so künstlerrsch geraten, wie man es bei
einem Dichter und Landschafts-Soziologen von Paquets Nang erwarten kann, bei
weitem das Schönste, was wir über den Gegenstand besitzen.

Daß Goethes Vater bi'sher noch keine Monographie erhalten hatte, mag wunder-
nehmen, um so mehr, als sich die Handschrift seiner Aufzeichmmgen über seine
italienische Reise von 17/jo im Goethe-Schiller-Archiv befindet. Rudolf Glaser
macht sie jetzt in seiner Biographie (Quelle L Meyer) auszugweise bekannt. Leider
ist damit sein Verdienst erschöpft, denn er schreibt grundschlecht, übersetzt ungenau
oder falsch und erweist sich, und das ist das Schlimmste, als unfähig, seinen Stoff
geistig zu meistern. Wie fesselnd war die Aufgabe, daS Porträt dieses, übrigens
doch an sich wenig bedeutenden, Mannes zu zeichnen, es aus unserer sonstigen Kennt-
nis seiner Zeit zu erläutern, seine Stellung in der religiösen und allgemem-geistigen
Atmosphäre zu bestimmen; aber all das bleibt der Verfasser uns schuldig. Die Schil-
derung der Ehe- und Altersjahre verläuft dann im Stil des Familienromans; hier
eine Probe: „Dann eineS Tages stand es da, schwarz auf weiß, — ein Blutsturz!
Es ging um den einzigen, letzten Sohn! Das Gespenst der Lungensucht ging durch
das Haus am Hirschgraben, störte den Schlaf der unglücklichen Eltern, verdarb die
Mahlzeiten. ... Endlich im Laufe des September war es so weit, daß man den Sohn
erwartete, daß man die Türen aufriß, um den Heimkehrenden zu begrüßen, und der
Vater schweren Schrittes zum Hauseren herniederstieg, um ihn an sein Herz zu
ziehen. Erschrocken sah er auf das fahle, schmächtige Gesicht, in dem die braunen
Augen tief beschattet lagen — das hatte er nicht erwartet —: Es war ein Schiff-
brüchiger, den er da in seinen Armen hielt."

H. Satyrspiel: Nomane um Goethe
Von hier aus ist es nicht mehr weit zu den Versuchen, Goethes Leben dichterisch
zu behandeln, Versuchen, die notwendigerweise peinlich ausfallen müssen. Das Leben

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