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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1932)
DOI Artikel:
Nette, Herbert: Die Beschwörung der Kundali: über eine Sonderform indischer Versenkungspraxis
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0492

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als Individuum der WelL als ein Elnzrges und Einheitliches enLgegenslellL,
wird von den Bedingungen anßer ihm sekundlich ergriffen und veränderL.
Ieder Versuch, hinLer dem ewigen Wechsel sein feffffehendes Sein zu be-
ffimmen, sorderL als erffes die IknLerbrechung der Verbindungen nach außen.
Vorübergehend werden diese geschwächL oder außer KrafL geseHL bei dem
Menschen, der sich durch berauschende MiLLel, GisLe usw. in eine andere WelL
als die vor 2lngen liegende versetzL. So finden wir in den Anfängen der
2)ogapraxis in vedischer ZeiL die Wild-Ekffase, die, der Erregung durch
orgiaffischen Tanz, GeschlechLsrausch, GifL nahe verwandL, eine grenzenlose
SLeigerung des Lebensgefühls bewirkL, Begeifferung, Offenbarung, Ranfch
der AllmachL, mächtige Msionen und Erscheinungen von GöLLern hervor-
rusL. 2llles Zeichen für die Erregung der seelischen TiefenschichLen, aus denen
man so lange göLLliche InspiraLionen schögfLe, bis man dachLe, daß die GöLLer
nur Schöpfungen und Projektionen der eigenen Seele waren und man sie
wieder in das Innere des EkffaLrkers unLergehen ließ. Bon da an bemühte
man sich, in der Bersenkung die Lösung von den eigenen AffekLen zu erreichen,
das BewußLsein aus seiner GebundenheiL zu ffeigender Macht zu bringen, die
TiefenschichLen der Seele miL dem SLrahl konzeutrierten Bewußtseins zu
durchdringen. Das ExLrem dieser Still-Ekffase iff das buddhiffische Nirvana.
Ihr gegenüber ffehen als äußerffe Erscheinungen jene Rauschzuffände, in denen
die Spaltung der PersönlichkeiL bis zur faff vollffändigen EnLmächLigung des
BewußLseins gehL, während die GegenwelL des Geiffes bis in lehte Tiefen
aufgerührt und verlebendigL wird.

Wir wollen nunmehr den Prozeß schriLLweise verfolgen und bedienen uns
dazu auch der MeLhoden der Psychoanalyse; daß deren WerLungen religiöser
und geiffiger Erscheinungen uns unangemessen scheinen, wird teilweise sichtbar
werden und sei darüber hinaus allgemein betonL. — Die vorbereiLenden
Übungen, wie sie auch das europäische MönchsLum kennL, haben sichLlich den
Zweck, die groben Bindungeu an die WelL zu lösen. Bergleichen wir einmal
die buddhiffischen TexLe, die den Borzug für uns haben, nichL eine Lheologische,
sondern eine xsychologische Syrache zu reden*. Der Buddhiff, der auf ein
anderes Endziel hinarbeitet und sich dazu vorwiegend inLellekLueller MitLel
bedient, bewirkt die 2lblösung durch BeLrachLungen über die SinnlosigkeiL des
Tuns, die BergänglichkeiL des Lebens, das Elend der WelL. Eine künfflich
herbeigeführte Melancholie iff die Folge. Der ysychologische Borgang, wie bei
jeder Melancholie, iff der: die enLwerLeLe 2lußenwelt iff als ObjekL der Libido
(d. i. GesamLheiL der ysychischen TriebkräfLe) enLzogen, die sich nunmehr
sadiffisch in wollüffigem WüLen gegen das eigene Ich wendet. Der Melancho-
liker, der diesem Zuffand nicht durch eine ueue, meiffens sadiffische Wendung
gegen die 2lußenwelL enLrinnen kann, wird zur Selbffvernichtnng geLrieben. Der
buddhiffische Mönch geht in der eingeschlagenen NichLung konsequent weiter,
indem er die freigewordenen TriebquanLen positiv, d. h. narzißiffisch unter-
bringt. Dazu iff es nötig, daß der Damm beseitigt wird, der gegen die nar-
zißiffische Regression vom Kinde im Berlauf seiner EnLwicklung mühsam auf-
gerichtet wurde. Iff dies erreicht, so kann die ObjekL-Libido zur Ich-Libido
werden. Diese Phase wird in dem buddhiffischen TexL so beschriebeu: „In

* Vgl. zum Folgenden: F. Alexander, Oer bivlogische Sinn psylhologischer Prozesse.

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