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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 7 (Aprilheft 1932)
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Strauss, Emil: Lorenz Lammerdien: Romanfragment
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0514

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m dre Höhe, und wo kräftrges und fröhliches Gedeihen jst, da kom-
men die Wühlhuber nnd Freiheitsschreier nicht an! Freilich würde ich
nicht bereuen, dem Lorenz zum Doktor oder Apotheker verholsen zu haben,
wenn sich nachträglich eine Täuschung heraussiellte; aber es ist nun so: ohne
diesen Glauben, den ich ja gewiß nicht gesucht habe, würde ich es dem
Lorenz ruhig überlassen, von selbsi aus seinen Weg zu kommen."

Der Pfarrer schwieg eine Weile und rauchte um so heftiger, endlich sagte er:
„Du bisi und bleibst ein sonderbarer Patron! Da siehsi du nnn vor mir als
Schulmeisier von Atzenbronn und hättest gewiß einen zehnmal besseren Seel-
sorger gegeben als ich, und ich bin doch auch keiner der schlechteslen! Aber
die Lehre ziehst du nicht daraus."

„Wie kannfL du wissen," warf Lammerdien ein, „was ich häkte werden
können! Bücher haben mir mein bißchen Festigkeit im Leben und mein Ver-
trauen nicht gegeben; ob ich krästig genug gewesen wäre, in der Arbeit an Er-
wachsenen es mir zu erwerben, isi die Frage; daß ich es unter den Kindern ge-
wonnen habe, und nicht ohne ernsie Mühe, das ist sicher! Was willsi du!"
„Mag sein! Du kannsi es sreilich ebenso wenig wissen wie ich! Nan könttte
ich dich ja daran erinnern, daß der Baum wächsi, je nach dem Boden, in den
man ihn pslanzt; bin aber sicher, daß du mir auch daraus und was ich sonsL
noch vorbringen könnte, dienen würdest — wir wollen uns also darein er-
geben, daß wir nicht ganz derselben Ansicht sind, und wieder auf deine 2lb-
sicht mit Lorenz zurückkommen. Er isL nun ctwas über acht Iahre alt, einen
Monat jünger als mein Bertele, — da wäre es im Herbß nicht zu srüh,
mit M6U83, !N6U8a6 anzusangen. Pkimm ihn den Sommer durch noch gehörig
dazwischen, und im September will ich ihm einmal auf den Zahn fühlen.
Wenn dir der Weg für ihn nicht zu weit iß, so will ich ihn em oder zwei
Iahre lang unterrichten; in der Zeit kann man dann sehen, ob es Zweck
hat, ihu aus das Pädagogium in die Stadt zu schicken, nnd du sparsL die
KosLen für den Versuch. IsL dir aber der Weg zu weit, so will ich gern mit
eurem Psarrer reden, damit der ihn unterrichtet."

„Danke schön! Reden könnt ich schon selbst. Ich nehm es natürlich lieber
von dir an. Der Weg macht mir keine Sorge; der Bub ist Sonnners wie
Winters ohnehin mehr auf der Gasse als im Haus. So — das wäre nun
ausgemacht; nun wollen wir sehen, was dazwischen kommt!"

„Was sollte dazwischen kommen!" ries der Psarrer. „Hoffentlich nichts!
Ich sreue mich schon anf den Buben, und diese Freude wirsL du mir doch nicht
Mißgönnen. So hat mein Vater mich unterrichtet, und ihn der semige, und
ich werde jene schönen Tage nun doch auch noch einmal durchgenießen." Er
hatte keinen Sohn.

„Ich würde es dir und ihm gönnen; aber — nun, es wird schon werden, wie
es werden soll!" Der Lehrer fiand aus, ging hin und her und sragte nach einer
Weile: „Ob der Lamartine wohl hugenottisch ist?"

„Lamartine —?" wiederholte der Pfarrer. „Das bezweisle ich. Das hätte
übrigens nichts zu sagen: die Glaubensspaltung entsLand oft zwischen Ge-
schwisLern, zwischen Eltern und Kindern, ja zwischen Mann und Weib.
Übrigens — sLeht vielleicht etwas über ihn im Brockhaus." Er sprang auf,
trat zu einem BüchergesLell, nahm aus einer Reihe gleichmäßiger brauner
 
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