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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI issue:
Heft 8 (Maiheft 1932)
DOI article:
Messner, Johannes: Bilanz des ökonomischen Liberalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0552

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dre daraus sich ergebenden VerpflichLungen des Individuums sind es gerade, die
der Gedanke der Harmonie der InLeressen ablehnen will. Darnm kommL es
dem Individualismus auch ansschließlich anf die wirtschafLliche Produk-
LiviLäL nnd ihre SLeigerung an, darauf, daß GüLer in möglichfl großem Um-
fange erzengt werden. Die VerLeilung der GüLer interessiert ihn nichL, denn
nach dem GeseHe der Harmonie der Interessen muß sich Zwangslänfig das so-
ziale OpLimum ergeben und werden alle InLeressen so befriedigt, daß sich die
soziale Harmome daraus ergibt. Es war der SozialkriLik ein leichtes, zu
zeigen, daß dies nicht der Fall iß, daß das individnalifiifche WirtschafLssyfiem
gerade gekennzeichnet isi dnrch das Nebeneinander eines siets anwachsenden
PluLokratismus einerseits und eines weit ausgreifenden Proletarismus anderer-
seits. Und Marx Lraf einen KernpunkL der individualifijfchen WelL, wenn er
sein „KapiLal" damit beginnt, Lhren Reichtum als „ungeheure Warenan-
sammlung" zu bezeichnen, fehlte doch die für eine wahre materielle Kultur
des GesamLwirLfchafLsvolkes entfcheidend wichtige organifche VerLeilung. Die
soziale Bewegung war denn auch auf dem rechten Wege, wenn sie fchon in
ihren Anfängen dem Gedanken der auLomaLifchen Harmonie der Inieressen
die Idee der sozialen GerechtigkeiL enLgegenftellte und damit dem
verabsolntierten ProduktiviLätsgedanken den VerLeilungsgedanken enLgegen-
ftellte. Das erörterte Grundprinzip des individualiftifchen WirLfchaftssyftems
konnte übrigens kaum offensichtlicher aä sd^urclurn geführL werden als durch
die heutige Krise, die vor allem dadurch gekennzeichnet ift, daß die Produktion
völlig die Fühlung mit dem Absah verloren hat: der Markt, das zentrale Or-
gan des individualiftifchen WirLfchafLssyftems, hat versagt.

DamiL ftehen wir vor einem vierten Wesenszug des indivjdualiftifchen WirL-
fchaftssyftems, es ift entfesselte KonkurrenzwirLschaft. Der 2lb-
lauf der Volkswirtfchaft vollzieht sich im Individualismus als fchrankenlose
Konkurrenz zwifchen den Individuen, die ihre wirLfchaftljchen InLeressen ver-
folgen und ihre wirLfchaftliche FreiheiL benützen. Das ausfchließlich organi-
sierende Element ift dabei der M arkt und der auf ihm sich bildende, in Geld
ausgedrückte Preis. Über die Bedeutung des MarkLes für eine Volkswirt-
fchaft darf man sich keiner Täufchung hingeben, und zweifellos ift im individu-
aliftifchen WirkfchafLssyftem zum erftenmal die AbhängigkeiL des Volkswohl-
ftandes von der ExLensivierung und InLensivierung des MarkLes hervorgetre-
Len. RkichL umsonft beginnt 2l. SmiLh seine IlnLersuchnng über den Reichtum
der NaLionen mit der ArbeilsLeilung. Der Grund der ArbeiLskeilung hängt
aber vom Tanfchverkehr ab, d. h. von der Größe des Marktes. So rückte die
Erforfchnng der MarkLgesetze in den MitLelpunkL der individualiftifchen Wirt-
fchaftstheorie. TaLsächlich ift erft im individualiftifchen WirLfchaftssyftem das
entftanden, was wir VolkswirtschafL nennen: die Znsammenfassung des
GesamLvolkes zu einem WirLfchafLsorganismus dnrch den gemeinsamen Markt;
dieser MarkL hat aber auch die ProduktiviLäL der VolkswirLfchafL so sehr ge-
fteigert, daß das WirLfchaftsvolk sich im neunzehnten IahrhunderL verdoppeln
und dazu noch seinen Lebensftandard mindeftens um das DoppelLe erhöhen
konnte. 2luch da kam allerdings die KehrseiLe des Syftems bald zum Vorfchein.
Denn der MarkL des individualiftifchen WirLfchafLssyftems jft der freiftehende,
aus dem sozialen Organismus herausgelöfte MarkL, der zum unumfchränkten

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