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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1932)
DOI Artikel:
Conrad, Joseph: Der geheime Teilhaber: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0584

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War das Schrff schon dicht gemrg fferan? Es war bereits so dicht, daß,
wenn es auch nichk gerade im Schatten des Landes lag, es sich doch in
dessen DunkelheiL befand, gleichsam bereits von ihr verschlungen, zu weit schon,
um je wieder zurückgerufen zu werden, ganz und gar von mir forL.

,,Rufen Sie den ErsLen SLeuermann", sagLe ich zu dem jungen Mann, der
neben mir sland, so siill wie der Tod. „Und die ganze MannschasL soll her-
auskommen."

Nckeine SLimme haLLe einen geborgLen lauLen Klang dadnrch, daß sie von
den hohen Felsen zurückhallLe. Mehrere SLimmen riesen gleichzeiLig: „Wir
sind alle an Deck, Kap'Län."

Dann wieder die Stille und der große SchaLLen, der immer näher gliLL,
immer höher ragLe, ohne einen Schimmer, ohne einen LauL. Es herrschte eiu
so ehrfürchtiges Schweigen auf dem Schiff, als wäre es eine ToLenbarke,
die langsam und feierlich bis an die Tore der UnLerwelL fuhr.

„Mein GoLL, wo sind wr'r?"

Der Erffe Steuermann war es, der neben mir jammerLe. Er war ganz ffarr
vor EnLseHen und gewissermaßen der moralischen SLüHe seines BackenbarLs
beraubL. Er schluq die Hände rusammen und schrie förmlich: „Verloren!"
„Ruhig!" befahl ich ffreng.

Er dämpfte die Stimme zwar, aber ich sah die schaLLenhafte Geffe seiner
Verzweiflung. „Was Lun wir hier?"

„Wir warten auf ablandigen Wind."

Er LaL so, als wollte er sich die Haare ausrausen und redete wild auf
mich ein.

„N'iemals wird das Schiff hier heil herauskommen. Und es iff Ihre
Schuld, Kap'tän. Das wird es nichL überffehen, Sie sind bereits zu dicht heran.
Wir brummen auf, ehe Sie herumkommen können. 2lch, großer GoLL!"

Ich ergriff seinen 2lrm gerade, als er ihn erhob, um seinen armen unglück-
lichen Kopf damit zu bearbeiten, und schüLtelte ihn heftig.

„Es siHL schon feff", jammerte er nnd versuchte, sich freizumachen.

„So?!... HalLen Sie es gut voll dort!"

„LiegL guk voll, Kap'tän", kam die Stimme des Helmsmannes zurück, er-
schrocken, dünn, wie die eines Kindes.

Ich hatte den 2lrm des Steuermanns nicht losgelassen und schüLLelte ihn
immer weiter. „Kehrt marsch, hören Sie? Rkach vorn" — ich schüttelte
ihn — „und dort bleiben" — ich schüLLelte ihn — „und hören Sie mit
Ihrem Gejammer auf" — ich schüLLelte ihn — „und sorgen Sie dafür, daß
die Klüverschoten dort ordentlich übergeholt werdm" — und wieder schüttelte
ich ihn, und wieder schüttelte ich ihu.

Während dieser ganzen ZeiL wagte ich nicht, das Land anzusehen, ans Angff,
ich könnte dm Mut verlierm. Schließlich ließ ich den Mann los, und er
floh nach vorn, als wäre der Tmfel hinter ihm her.

Die große schwarze Masse, die gleichsam direkt über unseren Mafftopps
brüLete, begann sich lauLlos von nnserer Schiffsseite zu entfernen. Und jeHL ver-
gaß ich den gehemrm Fremden, der sjch anschickte, forLzugehen, und ich dachte nur
daran, daß das Schiff mir vollkommen fremd war. Ich kannte es nicht. Würde
es dieser Aufgabe gewachsen sein? Wie mußLe ich es anfassen?
 
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