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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1932)
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Briccius, W. A.: Arbeitsbeschaffung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0587

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alten Ruf nach dem freien Spiel der Kräfte immer wiederholen, die Iammerlieder,
die über die hohen sozialen Lasten und die hohen Steuern gesungen roerden, müssen
die Reaktion einer aktivistischen Gruppe hervorrufen. Man hat das Debattieron
und das Vertrösten, daß sich auf die Dauer schon alles wieder einrenken werde,
satr. AuS diesem Wollen heraus werden dann mit u,nzuveichenden Kenntnissen die
wahnwitzigsten Pläne geboren. Man wird aber auch der nationalökonomischen Wis-
senschaft den Vorwurf nicht ersparen können, daß sie ihre Mobilisierungöarbeit fur
den „Ernstsall" in sehr mangelhaster Weise geleistet hat und daß ihre Lehrsähe und
Gesetze wohl für das ruhige Wellenspiel der normalen Wirtschastsbewegung auSreich-
ten, daß sie aber dem Orkan, der heute die Weltwirtschaft durchschüttelt, sast nichts
entgegensetzen kann. So ist es erklärlich, daß erst m dieser Sturmzeit selbst an den
Weiterbau der wissenschaftlichen Grundlagen herangegangen wird und daß durch den
Mangel an Abstand von den jeweiligen DageSereignissen oft stark parteipolitisch
getrübte, subjektiv gefärbte Urteile sälschlich als wissenschaftliche Erkenntnisse ver-
treten werden. Man muß schon die Höhen der neueren Wirtschastsforschung auf-
suchen, zu denen in stiller Arbeit heute vorgedrungen wird, um nicht den Glartben
an die rettenden AuSwege auS dem ChaoS zu verlieren. Diese Leistungen sind aller-
dings weit davon entsernt, je populär werden zu können, man kann nur versuchen,
ihre Endergebnisse zu erklären.

Die ArbeitsbeschassungSpläne, die von den verschiedensten Seiten gemacht wurden und
die sich zu Stößen bei den Regierungen angehäuft haben, unterscheiden sich hinsichtlich
der Zielsetzung, wenn dies auch nicht immer deutlich auSgesprochen ist, doch wesentlich.
Die emen Vorschläge woilen eigentlich nichts anderes als: die Arbeitslosen
„b e s ch ä f t i g e n", die Untätigkeit soll aufhören! Jhre Maßnahmen tragen also
vorwiegend pädagogischen Charakter, ihre Bedeutung liegt auf sozialpvlitischem und
politischem Gebiete. Damit sollen sie jedoch nicht im geringsten herabgesetzt werden;
der Volkswirt hat lediglich dazu zu sagen, daß dadurch wirtschaftlich keine
Besserung erreicht werden kann. Die extremste Forderung ist die: gegen einen
geringen Zuschuß zur Arbeitslosenunterstützung sollen alle Arbeitslosen beschästigt
werden, wobei die Art der Arbeit nicht entscheidende Bedeutung hat. Ob die Durch-
sührung im Wege des Arbeitsdienstes gemacht wird oder nicht, ist eine Frage
der organisatorischen Zweckmäßigkeit. Jn diese Gruppe von Plänen gehören aber
auch diejenigen, die durch Verkürzung derArbeitözeit unter gleichzeitigem
Ausgleich von Gehältern und Löhnen eine Beschästigung der bisher
ausgeschalteten Kräste erreichen wollen. Wenn sich dabei auch zweiselsohne in einer
Reihe von Fällen technische Schwierigkeiten ergeben können, so scheint dieS doch kein
hinreichendes Gegenargument zu sein. Entscheidend dagegen bleibt, daß auch damit
keinerlei zusätzliche Mehrleistung erzielt werden kann, daß also lediglich die vorhan-
dene gesamte Arbeitsmenge und der Gesamtlohnauswand aus sämtliche Arbeitskräste
verteilt werden*). Daß im ersten Falle dabei nochmals Mittel zur Versügung
gestellt werden müssen, die, wiederum in der Form der Besteuerung ausgebracht, zu
einer weiteren Wirtschastsschrumpfung führen müssen, ist eine einfache Nechnung.
Trotz all dieser schwerwiegenden Bedenken kann beim Fortdauern
der irrsinnigen Alltarkiebestrebungen der Staaten und bei den gegebenen politischen
Konstellationen der eine oder der andere Weg beschritten werden müssen, um ChaoS
und völligen Zerfall zu verhindern. Ein Weg zum Ausstieg ist es nicht!

Das Ziel der zweiten großen Gruppe von Plänen ist dagegen die „Ankurbelung" der
Wirtschaft, die „Jnitialzündung", um zum allgemeinen Konjunkturaus-
stieg zu gelangen. Diese Pläne lassen sich unter dem Kennwort „aktive Kon-
junkturpolitik und aktive Währungspolitik" zusammenfassen.

* Dieser planwirtschaftliche Eingriss braucht noch lange keine Berbeugung vor der Straße zu
sein, er kann vielmehr als Notmaßnahme einen Akt staatöpolitischer Klugheit darstellen.

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