Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1932)
DOI Artikel:
Umschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0593

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
len. Jhr Eisbr, sich für Frarikreichs Welt-
ordnung einzusetzen, wird unter dem Kräf-
Leverfall irnmer schwächer. MiL andern
WorLen: Frankreich ftehL bald vor der
fchweren, vielleichL entfcheidenden Frage,
ob es sich auf die Dauer lohnL, miL wach-
senden, laftenden Koften das öftliche und
sudöftliche Einkreisungösyftem gegen
Deutfchland aufrechLzuerhalLen oder
Deutfchland dorL den Weg freizugeben.
Tardieu wird diese Frage heute noch weit
von sich weisen. Jm UnterbewußLsein
drängt sie nach oben und unter vier Augen
mögen viele Franzosen davon sprechen.
Der Tardieuplan muß von dieser SeiLe
her gesehen werden. Sicher kommt es ihm
im Augenblick auf „rein wirtfchaftliche"
Dinge an, weil nämlich die politifche
Mauer von der wirLfchaftlichen Flut un-
Lerspült ift. Aber im Grunde geht eS um
PoliLik, um echte Machtpolitik, um die
Frage nach der Hegemonie Frankreichs
in Europa, von der dieser Tage der „Eco-
nomift" fchrieb, sie bedeute für Europa,
daß damit sein Frühling zu Ende gehen
würde. Die alten KampfnnLLel: goldene
Kugeln, Diffamierung, AnftifLen deut-
fcher Revolten im Rücken der Regierung,
fcheinen zu versagen. Es ift Brüning bis
jeHL gelungen, Deutfchland gegen solöhe
Mittel abzuhärten. Auch der englifche
Druck genügt nicht mehr. Die ParLie fteht
auf RemiS: Frankreich konnte unS zwar
daran hindern, etwas zu Lun (Zollunion),
aber es kann uns nicht zwingen, in der
französifchen Fremdenlegion gegen den
Donauraum zu dienen. Wenn wir den
Tardieuplan verhindern, so ift das nicht
Revanche für die Zollunion, sondern der
Kampf um ein deutfcheS LebenSprinzip.

5-

Für Deutfchland ift der Donauraum ein
politifcher Raum erften Ranges. BehalLen
wir diese Erkenntnis im Auge, wenn im-
mer nur von WirLfchaft die Rede ift.
Nachdem man uns nicht erlaubt, den
Schlüssel zu diesem Raum, Dfterreich, inS
deutfche Haus zu nehmen, müssen wir mit
allen MiLLeln verhindern, daß er in an-
dere Hände gerät. MiL seinem Donau-
plan wollLe ihn aber Tardieu der Kleinen
EnLenLe in die Hand spielen. Man darf
nur einen Blick auf die Karte werfen,
um zu wissen, was Dfterreich heute und
morgen für unS bedeutet. Um Öfterreich
lohnt es sich, sich zu fchlagen und zu hun-
gern. Für eine deutfche Regierung darf eS

528

Öfterreich gegenüber keine finanzielle oder
wirtfchaftliche AuSrede geben. Es liegt
uns wie eine unserer notleidenden Grenz-
marken am Herzen. Wir fordern daher,
daß sofort und ohne Genfer Zuftimmung
auf jede mögliche Weise Öfterreich beige-
sprungen wird. Der von Bülow in Lon-
don entwickelte Plan muß sinngemäß so-
fort verwirklicht werden, soweit er Öftev-
reich betrifft. Denn an Öfterreich hängen
die anderen Fäden, die nach Südoften
führen. Wir können und wollen weder
Ungarn, noch Südslawen, noch Rumä-
nen, Bulgaren oder Tfchechen zwingen,
ihre natürlichften Jnteressen in der Zu-
sammenarbeit mit Deutfchland zu finden.
Diese Erziehung besorgt zurzeit die Krise.
Aber die deutfche Donaupolitik muß wer-
ben, überzeugen, aufklären. Sie muß an
die Bauernmassen herangebracht werden.
Es darf ihr nicht an GroßzügigkeiL und
echter LiberaliLäL fehlen. Geben wir osfen
zu, daß wir nicht nur wirtfchaftliche, son-
dern auch echt politifche Fragen im Auge
haben. Aber diese deutfche Donauraum-
politik hat den VorLeil, gleichzeitig wirt-
fchaftlich und politifch der ZukunfL der
jungen Staaten, ihrer Völker und Euro-
pas zu dienen. Sie werden jetzt gewahr,
daß die Spesen, die sie für ihre Exiftenz
unter den gegenwärtigen Umftänden zah-
len müssen, auf die Dauer unerträglich
und vernichtend werden, denn sie sind
nicht nach ihrem, sondern nach dem fran-
zösifchen Bedürfnis errechnet. Wir haben
Grund dazu, anzunehmen, daß außerhalb
der französifch gebundenen Kreise dafür
VerftändniS vorhanden ift. Allerdings mit
imperialiftifcher Sprache und Methoden
kolonial-kapitaliftifcherAuSbeuLungszwecke
darf die deutfche Donaupolitik nicht be-
Lrieben werden. Sie ift auch nicht gegen,
sondern nur mit Jtalien möglich, so ge-
wiß die zwei Adriahäfen des alten Habs-
burgerreichs, Fiume und Trieft, in italie-
nifchen Händen sind uud bleiben.

6.

Die nachften Schritte der deutfchen Do-
nauraumpolitik können nur vorbereitend
sein: verhindern, daß Frankreich Öster-
reich und blngarn für immer in die Um-
klammerung der Kleinen EnLenLe zwingt;
unmi'Ltelbare und direkte Hilfe an Öfter-
reich in jeder möglichen Form; Verftändi-
gung mit ()Lalien über die kommende po-
litifche Linie, Änderung der deutfchen Han-
delsverLragstechnik, um mit Hilfe von
 
Annotationen